Vorneweg möchte ich die Gelegenheit nutzen und „Danke“ sagen! Danke fürs Lesen, danke fürs Diskutieren, danke fürs Teilen mit Freund*innen. Als ich vor einem Jahr angefangen habe, diesen Newsletter zu schreiben, war das eine aus der Pandemie-Monotonie heraus geborene Idee. Aber zu sehen, dass es Menschen gibt, die sich dafür interessieren, was ich über die Musik, die ich liebe, zu sagen haben, das ist wirklich ein superschönes Gefühl. In diesem Sinne wünsche ich euch schonmal einen guten Rutsch ins neue Jahr und wir sehen uns Anfang Februar mit der nächsten regulären Ausgabe wieder (und feiern dann schon den ersten Geburtstag von Robs Metal Moments – aufregend!).
Bevor wir aber das alte Jahr hinter uns lassen, kommen hier die zehn Alben, die mich am meisten umgehauen haben dieses Jahr. Es war nicht einfach die Liste auszuwählen, aber ich bin jetzt ziemlich zufrieden damit und kann sagen, dass mich jedes dieser Alben, wie unterschiedlich sie auch sein mögen, auf seine eigene, besondere Weise berührt hat.
So, jetzt ist aber genug mit dem Kitsch und Pathos (naja, vorerst zumindest, ihr wisst ja wie ich über Musik schreibe): Vorhang auf für meinen letzten Gast. Der Kanadier Dylan Gowan ist nicht nur Drummer und Sänger von so fantastischen Bands wie Iomaire oder Vesperia, sondern auch ein weiterer Host von BangerTV. Ich kenne keinen anderen Journalisten, mit dessen Musikgeschmack ich so übereinstimme wie mit Dylan. Dazu kommt, dass er ein absoluter Fachmann ist, wenn es um die theoretische Seite der Musik und Progressive Metal geht. Außerdem gibt es wahrscheinlich keinen lieberen und offenherzigeren Menschen im Metalzirkus und deswegen bin ich super froh, dass Dylan sich die Zeit genommen hat, uns sein liebstes Album des Jahres zu verraten.
Dylans Picks:
„Between the Buried and Me did something I thought was impossible, they made an album that rivals Colors. It’s the perfect sequel to one of the most celebrated albums within Prog Metal and a must listen! Lots of different styles, tones, moods and genre bending songs on this release! And the way they tie both records together is just amazing. For my full review of Between the Buried and Me Colors II head on over to BangerTV! “
Ihr kennt das Spiel inzwischen ja. Guck euch unbedingt Dylans komplette Review an. Ganz allgemein kann ich euch empfehlen BangerTV auf YouTube zu abonnieren. Mit Abstand der beste Metaljournalismus in Videoformat, den ich kenne.
#10 Alustrium – A Monument to Silence (VÖ: 18.06.)
Diesen Newsletter zu schreiben hätte sich auch gelohnt, wenn niemand ihn lesen würden. Denn durch die Arbeit daran, habe ich mich intensiver mit Musik auseinandergesetzt als je zuvor in meinem Leben. So habe ich einige Bands entdeckt, von denen ich mir nicht sicher bin, ob sie mir ansonsten über den Weg gelaufen wäre. Ein perfektes Beispiel dafür sind die US-Amerikaner von Alustrium. Ihr drittes Album A Monument to Silence hat es nicht nur in meine Top 10 geschafft, nein, es ist für mich auch das beste Death Metal Album des Jahres. In einem Jahr, das so vollgepackt mit herausragendem Death Metal war, will das echt was heißen. Was die Technical und Progressive Death Metaller von vielen anderen Genre-Kolleg*innen unterscheidet, ist, dass sie sich nicht nur auf ihre technischen Fertigkeiten verlassen, sondern den Fokus immer auf das Songwriting legen. So gelingt dem Quintett, trotz der Spieldauer von über einer Stunde, ein unglaublich kurzweiliges Album, dass vollgepackt ist mit catchy Riffs, tollen Melodien und Soli und fast schon sing-along-artigen Refrains (sofern das halt im Death Metal geht). Bandgründer und Leadgitarrist Chris Kelly liefert durch die Bank weg eine der besten Leistung an der Gitarre ab, die ich dieses Jahr im Extreme Metal gehört habe. Als Kirsche auf diesem superleckeren Death Metal Eisbecher gibt es eine unglaublich klare und intensive Produktion. Drums, Bass, Vocals, Gitarren – alle Instrumente kommen perfekt zur Geltung. Ich könnte noch ewig weiter über das Album schwärmen. Falls es noch einen Beweis brauchte, dass Extreme Metal eingängig sein kann, tritt A Monument to Silence diesen an.
#9 Employed to Serve – Conquering (VÖ: 17.09.)
Die Brit*innen von Employed to Serve sind auf der Insel längst eine der heißesten Bands des Metal-Untergrunds und so langsam dringt es auch zum Rest des Kontinents durch, dass hier eine Band wartet, die es in sich hat. Bereits der Vorgänger ihres vierten Albums Conquering gehörte 2019 zu meinen Lieblingsalben des Jahres (Eternal Forward Motion), aber was für einen Sprung das Quintett in diesen zwei Jahren nach vorne gemacht hat, ist wirklich unfassbar. Ihre Mischung aus Metalcore, (Post-) Hardcore und den unterschiedlichsten Metalarten behält auch auf Conquering eine gewisse Rohheit, aber das Album wirkt konsistenter, konsequenter und einfach technisch ausgefeilter. Employed to Serve integrieren vermehrt klassische Death, Groove und Thrash Metal Riffs in ihre Musik, wodurch ihr Sound mehr Textur erhält. Außerdem teilen sich Sängerin Justine Jones und Gitarrist Sammy Urwin noch häufiger das Mikro, was angesichts der unglaublichen Dynamik, die ihre Stimmen zusammen entwickeln, eine tolle Entscheidung war. Das alles führt dazu, dass Conquering ein absoluter Volltreffer ist. Wo auf ihren früheren Alben immer ein paar Songs waren, die man problemlos überspringen konnte, ist hier jeder Song ein Schuss ins Schwarze: Sei es der dystopische Industrial Banger Sun Up to Sun Down, der im besten Sinne niederschmetternde Opener Universal Chokehold (inklusive fantastischem Intro), oder das groovige World Ender. Aus der Ansammlung an super Liedern ragen dann aber mit Mark of the Grave und Exist trotzdem zwei Songs heraus, in denen Employed to Serve ihr gesamtes Potenzial nutzen. Dem Quintett um Justine Jones steht eine rosige Zukunft bevor – alles andere würde ich als persönliche Beleidigung auffassen!
#8 Dvne – Etemen Ænka (VÖ: 19.03.)
Kommen wir nun zur letzten Band, über die ich bisher in noch keinem meiner Newsletter geschrieben habe. Wieso? Der Grund dafür ist recht einfach: Dvne und ich hatten eine etwas schwierigen Start. Als Etemen Ænka, das zweite Album der schottischen Progressive Metaller, im März rauskam, habe ich es mir angehört und sacht mit den Schultern gezuckt: „Schon okay, aber nichts Besonderes.“ Erst als unser heutiger Gast Dylan es dann ausführlich auf BangerTV besprochen hat, und der Platte eine perfekte Note gab, habe ich dem Album nochmal eine Chance gegeben. Und siehe da, nach und nach habe ich mir die Musik erschlossen. Der Hauptgrund, aus dem sich meine Meinung über Etemen Ænka ziemlich radikal geändert hat, ist, dass ich bei meinem ersten Hörversuch das Konzept hinter der Band und dem Album noch nicht kannte. Wir haben es hier, zumindest für mich, mit einem Fall zu tun, bei dem die Lyrics und die erzählte Geschichte mindestens genauso wichtig sind wie die Musik an sich. Ich würde sogar noch weitergehen und sagen, dass ich erst durch die erzählte Geschichte die Musik verstanden habe und sie wertschätzen konnte. Dvne erzählen hier eine Sci-Fi Geschichte in der zwei Völker eines Planeten im Mittelpunkt stehen, die auf ihrem ersten Album (Asheran) Krieg gegeneinander führen. Etemen Ænka ist die Vorgeschichte zu diesen Geschehnissen. Dvne zeichnen das Bild einer hierarchischen Gesellschaft, in der die Asheran die Herrscher*innen sind und die Shudran unterdrücken, aus deren Perspektive das Album hier erzählt wird. Im Prinzip geht es darum, dass die Asheran ihren Heimatplaneten verlassen haben, um die Geheimnisse des Universums zu erkunden und die Shudran zurückließen. Diese werden sich nach dem Verschwinden ihrer Unterdrücker*innen ihrer selbst bewusst und begreifen, dass die ganze Zeit sie es waren, die die großen Monumente des Planeten erbaut haben. Endlich frei von ihrer Versklavung emanzipiert sich das Volk. Allerdings sind sich die Shudra auch bewusst, dass die Asheran irgendwann zurückkommen werden – aber jetzt sind sie bereit zu kämpfen. Dieser Kampf findet auf eben jenem Debütalbum Asheran statt. Puh, einmal tief durchatmen, das war eine Menge Input. Und damit kratze ich nur an der Oberfläche dieses genialen Konzepts (ich habe z.B. noch gar nicht über die Einflüsse gesprochen, neben dem Sci-Fi-Klassiker Dune, an den auch der Bandname angelehnt ist, sind es Elemente alter mesopotamischer und antiker Mythologien. Und wir sind noch nicht einmal bei den seltsamen Namen einiger Songs oder des Albumtitels Etemen Ænka und deren Bedeutung angelangt). Wer sich dafür interessiert, was es mit all dem auf sich hat und was auch noch Hegel damit am Hut hat, der kann das in diesem super interessanten (und super langen) Text nachlesen. Ich brauchte genau diesen Hintergrund, um mich ganz in das Album fallen lassen zu können. Das ruhige, von Gastmusikerin Lissa Robertson eingesungene Asphodel fand ich anfangs beispielsweise langweilig und belanglos. Im Kontext des Albums ist es aber einfach absolut sinnvoll und treffend. Es ist nämlich ein Kinderlied, das die Shudra ihren Nachfahren singen, um sie auf die Rückkehr der Asheran eines Tages vorzubereiten. Das verleiht der gesamten Story so viel Tiefe und Authentizität, dass ich den Song inzwischen sehr zu schätzen weiß. Ansonsten bedienen sich Dvne der gesamten Breite des Progressive Metal (mit einigen Death Metal und Djent Einflüssen hier und da), aber weil ich schon viel zu viel geschrieben habe, überlasse ich es jetzt euch, die Musik von Etemen Ænka selbst zu erkunden. Dem Soundtrack für die komplexeste und faszinierendste Geschichte, die gerade im Metal erzählt wird.
#7 Trivium – In the Court of the Dragon (VÖ: 08.10.)
Mit Lieblingsbands ist das ja so eine Sache. Ich muss immer aufpassen, ob ich ein Album jetzt wirklich mag, oder es nur deshalb wohlwollend aufnehme, weil es eben von einer meiner Lieblingsgruppen stammt. Beim letzten Trivium Album What the Dead Men Say (2020), dass es ja immerhin in meine Top 20 von 2020 geschafft hat, trifft wohl eher Letzteres zu. Beim zehnten Trivium Album In the Court of the Dragon kann ich aber voller Inbrunst und Überzeugung sagen, dass es nicht nur eines der besten Alben dieses Jahres ist, sondern auch eines der besten, welches das Quartett aus Florida je gemacht hat. Matt Heafys Vocalperformance ist die beste seiner Karriere. Die Musik sprüht nur so vor Spielfreude und das Songwriting ist ein wilder Ritt durch die gesamte Diskografie Triviums. Hier schafft es eine Band, ihre Vergangenheit und Gegenwart perfekt miteinander in Einklang zu bringen. Ein zusätzliches Highlight ist die grandiose Ästhetik des Albums, über die meine liebe Twitter-Freundin Christina Dongowski hier superspannende Sachen geschrieben hat:
Seit über 15 Jahren höre ich nun aktiv Trivium und In the Court of the Dragon ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass ich die Band wahrscheinlich hören werde, solange sie Musik macht.
#6 Vokonis – Odyssey (VÖ: 07.05.)
Noch so eine Band, die ich vor einem Jahr nicht kannte, und die sich mitten in mein Herz gespielt hat. Die Schweden von Vokonis haben mit ihrem progressiven und melodischen Ansatz des Sludge und Stoner Doom einen Sound kreiert, der wirklich außergewöhnlich ist. Odyssey, das vierte Album der Band, zieht mich jedes Mal völlig in seinen Bann, wenn ich es höre. Zu dieser Musik kann ich wirklich eine Dreiviertelstunde auf der Couch sitzen und nichts tun, außer zuzuhören. An vielen Stellen erinnert das Album an Mastodon und die progressive Interpretation des Sludge ihrer Anfangszeit. Vor allem der Gesang von Bassist Jonte Johansson und Gitarrist Simon Ohlsson, der zwischen Johanssons hellem Klargesang und kratzigen Growls und Ohlssons tiefen Cleans wechselt, hat starke Mastondon-Vibes. Dabei verkommen Vokonis aber nie zur Kopie, sondern sie interpretieren den progressiven Ansatz des Doom Metal ganz eigen und kreieren dadurch ein beeindruckendes Album. Vor allem in den langen Songs, wie dem Titeltrack oder dem im besten Sinne theatralischen Rausschmeißer Through the Depths, entspinnen die Schweden ihre Musik in grandiose atmosphärische Landschaften. Eine der wenigen Bands, von denen ich mir wünsche, dass sie mehr 10+ Minuten Songs aufnehmen würden. Vokonis sind eine der schönsten Neuentdeckungen des Jahres für mich und ich wünsche der Band, dass ganz viele Menschen zu ihrer Musik finden.
#5 Bewitcher – Cursed be thy Kingdom (VÖ: 16.04.)
Wenn es rein um den Unterhaltungswert eines Albums geht, dann ist das dritte Album der US-Amerikaner Bewitcher mein absoluter Favorit 2021. Himmel, jeder einzelne Song auf diesem Album ist ein verdammter Hit. Ich habe die Platte inzwischen so oft gehört, dass ich wahrscheinlich echt die meisten Songs mitgrölen kann (wir wollen bei mir mal nicht von „singen“ sprechen). Bewitcher haben ihre ganz eigene Nische im Blackened Thrash gefunden. Denn so ganz richtig trifft das Label hier nicht mehr zu. Im Vergleich zu früheren Alben haben sie auf Cursed Be Thy Kingdom die Rock’n’Roll, Heavy und Speed Metal Anteile deutlich erhöht. Zwar gibt es da immer noch dreckige Thrash Metal Riffs und First Wave of Black Metal Anleihen, aber der Sound hat inzwischen ein unfassbar cooles und unterhaltsames Heavy Metal Fundament erhalten. Personifiziert wird dieser Spirit von Sänger und Gitarrist Matt Litton. Seine Riffs sind eine absolute gute Laune Garantie und seine rotzigen Vocals erinnern mich jedes Mal daran, wieso ich Heavy Metal so liebe. Wo sich Bewitcher dann endgültig von anderen Bands abheben ist, dass sie eben nicht nur eine Richtung kennen. Satanic Magic Attack oder Mystifier (White Night City) sind für mich jetzt schon zeitlose Partyhymnen, aber daneben gibt es mit Valley of the Raven auch eine wundervoll stimmungsvolle Mid-Tempo Nummer auf dem Album. Hier lassen Bewitchter ihrer Liebe für Blues und Rock’n’Roll vollen Lauf - zudem enthält das Lied mein absolutes Lieblingsgitarrensolo des Jahres. Bewitcher sind offiziell die coolste Band, die 2021 im Metal unterwegs war. Cheers!
#4 Seven Spires – Gods of Debauchery (VÖ: 10.09.)
Wenn ich Employed to Serve schon für den Sprung gelobt habe, den sie auf ihrem neuen Album nach vorne gemacht haben, was soll ich dann erst über Seven Spires sagen? Ich mochte ihr letztes Album Emerald Seas (2020) schon echt gerne, auch wenn ich es damals etwas neckisch als Disney Metal bezeichnet haben. Nur ein Jahr später ist das US-amerikanische Quartett nun aber mit einem Album zurück, dass es in seiner puren Größe und Qualität locker mit den besten Alben der Symphonic Metal Geschichte aufnehmen kann. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Bands wie Kamelot, Epica oder Nightwish je bombastischer und umwerfender klangen als Seven Spires auf Gods of Debauchery. Dass die Gruppe Talent hat, wird bei einem Blick auf die Biografie der vier Musiker*innen klar. Kennengelernt haben sie sich auf dem Berklee College for Music. Diese professionelle Ausbildung merkt man der Selfmade Band, die fast jeden Aspekt ihrer Musik selbst kontrollieren (so ist Gitarrist Jack Kosto für die grandiose Produktion verantwortlich), in jeder Sekunde an. Ich würde aber lügen, wenn ich behaupten würde, dass es nicht Sängerin, Komponistin und Lyrikerin Adrienne Cowan ist, wegen der die Band einen solchen Eindruck auf mich macht. Da sind zum einen ihre Vocals, die zum vielfältigsten der gesamten Metalszene gehören. Epischer Klargesang, kratzige Rock-Vocals, hohe und dreckige Scream oder tiefe Growls, es gibt nichts das Cowan nicht beherrscht. Und dann ist da noch ihr Talent in Sachen Komposition und Songwriting, mit dem sie sich mit den anderen Musikern der Band perfekt ergänzt. Ihre orchestralen Inszenierungen sind immer auf den Punkt, niemals kitschig und wirklich bombastisch. Es gibt auf dem Album keinen Song, der wie der andere klingt. Jedes Lied hat seinen eigenen Twist und dennoch wirkt Gods of Deabuchery nicht wie eine bloße Aneinanderreihung von Songs. Selbst der fast schon lächerlich eingängige Pop Metal Ohrwurm Lady Lightbringer wirkt hier perfekt platziert (und zeigt, dass die Band sich auch mal mit einem Zwinkern betrachten kann). Ob Death Metal, Power Metal, Heavy Metal oder Black Metal das Quarttet bedient sich in allen Ecken der Metalwelt und baut alle diese unterschiedlichen Stile perfekt in den eigenen Sound ein. Gods of Debauchery ist der Abschluss einer Albentrilogie rund um eine unsterbliche Seele, die versucht, aus der Unterwelt zu entkommen, und wenn die Band von ihrem zweiten zum dritten Album so einen unfassbaren Qualitätssprung gemacht hat, dann kann ich mir nicht vorstellen, was sie für uns in der Zukunft bereithält. Allein mit This God is Dead haben sie für mich ein kleines Meisterwerk geschaffen. Ein Song, den ich euch nur ans Herz legen kann, weil er die gesamte Bandbreite der Band abdeckt (inklusive Gastvocals des früheren Kamelot Frontmans Roy Khan).
#3 Gojira – Fortitude (VÖ: 30.04.)
Das Gojiras siebtes Studioalbum Fortitude den Weg weit nach vorne auf dieser Liste gefunden hat, dürfte wirklich nur Menschen überraschen, die mich nicht kennen oder noch nie einen dieser Newsletter gelesen haben. Ich habe im Prinzip auch schon alles gesagt, was es über dieses sensationelle Album einer der wichtigsten und größten Metalbands unseres Planeten zu sagen gibt. Gojira ist die größte Band ihrer Generation und hat das Potenzial eine der wichtigsten und einflussreichsten Metalbands aller Zeiten zu werden. Wenn ihr mehr über die Musik auf Fortitude wissen wollt, könnt ihr das in meinem April Newsletter nachlesen.
Was mich an dieser Stelle viel mehr interessiert, ist die Rezeption des Albums in der Metalwelt. Denn es ist schon bezeichnend wie polarisierend Fortitude aufgenommen wurde. Bei den größeren Magazinen rangiert die Platte zwar häufig weit oben in den Listen der besten Alben 2021, aber gerade, wenn man mal zu den kleineren Youtube Channels und Blogs schaut, gibt es doch eine Menge Menschen, die das Album heftig auseinandergenommen haben. Es ist bezeichnend für die Metalcommunity, dass sie, zumindest in Teilen, kommerziellen Erfolg und Einfluss außerhalb der Metalszene bestraft. Bands, die nicht schon seit den 1970er oder frühen 80ern da sind und quasi zum Inventar gehören (wie Iron Maiden oder Metallica) und Erfolg außerhalb der klassischen Genregrenzen haben, wird schnell der Ausverkauf vorgeworfen – oder noch schlimmer, das Heruntersetzen ihrer musikalischen Standards, um sich vermeintlich an den Mainstream anzubiedern. Natürlich ist Fortitude kein zweites From Mars to Sirius, wahrscheinlich Gojiras Opus Magnus, aber ist es mit seiner Vielzahl an Einflüssen, deswegen ein weniger ambitioniertes Album? Ist es mit seinem energischen Fokus auf die globale Umweltzerstörung und sein Einsatz für Menschenrechte weniger relevant? Wenn man glaubt, dass Kunst und Musik einen gesellschaftlichen Einfluss haben kann, dann ist Gojira genau die Metalband, die wir gerade brauchen. Und selbst wenn man das nicht glaubt, ist Gojira genau die Metalband, die wir gerade brauchen, einfach weil sie einen Sound kreiert haben, der genuin der ihre ist.
#2 Between the Buried and Me – Colors II (VÖ: 20.08.)
Hier von einem Platz 2 zu sprechen, wird Colors II eigentlich nicht gerecht. Denn ganz ehrlich, es ist ein perfektes Album und es liegt nur an meiner Tagesstimmung, ob Between the Buried and Me (BTBAM) oder meine Nummer 1 die Nase vorne hat. Aber als Mensch, der Listen sehr mag, stehe ich natürlich auch dazu, Entscheidungen treffen zu müssen. Ironischerweise sprach anfangs gar nicht sonderlich viel dafür, dass mich dieses Album so abholen würde. Fortsetzungen, wie in diesem Fall vom legendären Colors (2009), das zu einem der einflussreichsten Prog Metal Alben aller Zeiten zählt, sind grundsätzlich ein schwieriges Feld und kommen selten an die Originale heran. Und dann waren die letzten BTBAM Alben auch eher nicht so mein Fall. Als ich mich dann aber einmal in die Welt von Colors II begeben habe, war mir schnell klar, dass es sich hier um ein außergewöhnliches Album handelt. Von der musikalischen Vielfalt und Kreativität, dem Denken außerhalb der Box und jeglicher Genre Konventionen, bis hin zum lyrischen Konzept und der Integration des ersten Color Albums in dieses – Between the Buried and Me machen hier schlicht und ergreifend alles richtig. Ich habe das Album dutzende Male aktiv gehört und entdecke immer noch neue Dinge, kleine Besonderheiten, die mir vorher nicht aufgefallen sind. In dem gesamten Album steckt so viel Liebe fürs Detail, dass man nicht anders kann als den Hut zu ziehen. In der aktuellen Besetzung macht das Quintett bereits seit 2003 Musik, auch eher eine Ausnahme im schnelllebigen Musikgeschäft, und diese Vertrautheit und das blinde Verständnis für die Mitmusiker hört man Colors II auch jederzeit an. Between the Buried and Me schaffen es auf Colors II, dem Chaos ein Muster zu geben. Nicht nur eines meiner liebsten Alben des Jahres, sondern auch eines der Alben, das sich in die Geschichte des Progressive Metal einschreiben wird.
#1 Converge & Chelsea Wolfe (& Stephen Brodsky) – Bloodmoon: I (VÖ: 19.11.)
Trommelwirbel, Spannung … okay, ihr habt es eh schon gelesen. Mein Lieblingsalben 2021, mit einer Haarspitzenlänge Vorsprung, ist Bloodmoon: I, das erste Studioalbum aus der gemeinsamen Kooperation der Hardcore/Metalcore Ikonen Converge mit der Gothic-ästhetik inspirierten Singer-Songwriterin Chelsea Wolfe und dem kreativen Tausendsassa Stephen Brodsky von Cave In. Das herausragende an diesem Album, und am Ende der Hauptgrund, wieso ich es als Album des Jahres gewählt habe, ist, dass hier unterschiedliche Künstler*innen zusammen kommen und etwas erschaffen, das mehr als seine bloßen Einzelteile ist. Alle Beteiligten bringe ihre Stärken (und Schwächen) mit ein und kreieren daraus etwas Neues, das über alles hinausgeht, was jede*r Einzelne bisher erschaffen hat. Natürlich schlägt das Pendel mal in die eine und mal in die andere Richtung aus, was die hörbaren Einflüsse angeht. Viscera of Man oder Tongues Playing Dead tragen zum Beispiel eher die chaotische Handschrift, die man von Converges Metalcore kennt, wohingegen Scorpion’s Sting Chelsea Wolfes Melancholie in Reinform transportiert. Im Großteil des Albums dominiert aber ein Sound, der genuin neu ist und eine einfach atemberaubende Atmosphäre ausstrahlt. Das bedrohliche und wirklich unheimliche Flower Moon, das zerbrechliche Crimson Stone (bei dem Wolfes und Converge Frontman Jacob Bannons Stimmen unglaublich gut harmonieren), oder das drängende, nervöse Lords of Liars, jedes Lied schafft es, mich auf seine ganze eigene Weise und mit roher Emotionalität in seinen Bann zu ziehen. Die Atmosphäre, die diese Gruppe an unglaublich talentierten Musiker*innen hier erzeugt, ist für mich völlig einzigartig. Ich kenne alle beteiligten musikalischen Projekte schon länger, aber nie hat mich die Musik von einem allein so berührt wie Bloodmoon: I. Und das schönste an der Sache ist ja, dass der Albumtitel andeutet, dass es nicht bei dieser einen Kollaboration bleiben wird. Ein wenig Zeit dürfen sich Converge, Brodsky und Wolfe mit Teil II aber ruhig noch lassen, denn ehrlich gesagt bin ich immer noch dabei Bloodmoon: I zu verarbeiten – mein Album des Jahres 2021.