Kaum zu fassen, dass es fast schon ein Jahr her ist, dass ich diesen Newsletter gestartet habe. Mir macht das Ganze mehr Spaß als ich am Anfang gedacht hätte und deswegen gab es für mich gar keinen Zweifel daran, dass ich auch 2022 weitermache. Ich werde vielleicht ein paar Kleinigkeiten verändern dieses Jahr, zum Beispiel denke ich darüber nach, bei Monaten, die sehr vollgepackt sind, zwei kürzere anstatt eines langen Newsletters zu verschicken. Aber im Großen und Ganzen bleibt alles wie gehabt. Wie immer freue ich mich über alle, die hier mitlesen, die den Newsletter empfehlen oder mir Feedback geben. Der Januar ist zwar eigentlich ein eher ruhiger Monat, was neue Veröffentlichungen angeht, aber in Corona-Zeiten ist ja nichts wie wir es kennen und so ist auch dieser Monat vollgepackt mit wirklich spannender neuer Musik. Viel Spaß!
1 & 2
Wenn ich euch verrate, dass Fit For An Autopsy gerne mal als „Gojira des Deathcores“ bezeichnet werden, ist es wohl kein großes Wunder, dass ihr neues Album Oh What The Future Holds (VÖ: 14.01.) mein erstes großes Highlight des Jahres ist. Bevor wir uns dem Album zuwenden, möchte ich aber nochmal einen Schritt zurückgehen, und das Genre, dem Fit For An Autopsy angehören, etwas genauer betrachten. Denn was aktuell im Deathcore passiert, ist recht spannend und eine der entscheidenden Figuren dabei ist Will Putney. Der Gitarrist und Bassist ist nicht nur Gründer und Mastermind hinter Fit For An Autopsy, sondern gehört auch zu den einflussreichsten Produzente*innen des Deathcore und Extreme Metal. Und Putney selbst gehört zu den größten Kritiker*innen des Deathcores. Das Genre, welches Elemente des Metalcores mit Death Metal kombiniert und dadurch einen brachialen und Breakdown-lastigen Sound kreiert, galt (und gilt) als etwas „schmuddeliges“ Stiefkind des Metals. Für viele Die-Hard Metal Fans („Elitists“) gehört es gar nicht zum Metal. So finden sich auf der Seite der größten Metal Enzyklopädie Metallum keine Deathcore Bands. Nachdem das Genre in den 2000ern ein erstes kommerzielles Hoch hatte, durch die frühen Alben von Bands wie Suicide Silence oder Bring Me the Horizon, wurde das gesamte Subgenre in den 2010ern zur Karikatur seiner selbst. Putney kritisiert diese Entwicklung wie folgt:
A lot of the chaos and experimentation was taken out of the genre. It became boring, basically.
Das ist der Punkt, an dem man die Rolle von Putneys nicht hoch genug bewerten kann. Mit Bands wie Fit For An Autopsy (für die er die gesamte Musik schreibt und produziert, mit denen er aber wegen seiner Arbeit als Produzent nicht mehr auf Tour geht) und Thy Art is Murder (deren Alben er fast alle produziert hat) hat er dem Genre einen Ausweg aus der Monotonie gezeigt. Thy Art is Murder hat sich in eine Black Metal beeinflusste Richtung entwickelt und Fit For An Autopsy sind – wie oben schon angerissen – in die progressiven Fußstapfen Gojiras getreten. Die Band bezeichnet ihren Sound selbst inzwischen als Post-Deathcore, und auch wenn ich bei vielen Post-Generebezeichnungen immer etwas skeptisch bin, passt es hier doch recht gut. Die Band bricht mit Konventionen und scheut sich auch nicht davor, neue Einflüsse zuzulassen. Was uns zurück zum sechsten Album der Band bringt: Oh What The Future Holds. Um euch einen Eindruck zu verschaffen, was es mit diesen Gojira-Vergleichen auf sich hat, muss man sich nur mal die erste Single Far From Heaven anhören.
Mit der neuen Platte hat sich die Band aus New Jersey nochmal in allen Belangen weiterentwickelt. Der Sound ist vielschichtiger und komplexer als auf ihren früheren Alben (auf denen sie bereits zu den experimentierfreudigsten des Genres zählten). Klassische Deathcore-Brecher wie In Shadows oder Savages wechseln sich mit progressiven Nummern ab, die nicht in klassische Schablonen passen. Nicht nur Gojira-Einflüsse (die Tribal-Drums in Another Level of Hate erinnern sehr an den Sound von Fortitude) sind auf dem Album hörbar, sondern auch andere Genregrenzen ignorierende Gruppen wie Rivers of Nihil (bspw. in Two Towers) habe ihre Spuren hinterlassen. Wie weit das Sextett diesen progressiven Ansatz ausreizt, zeigt der letzte Track des Albums: The Man That I Was Not. Was als ruhige, atmosphärische Klargesang-Nummer beginnt, steigert sich in den ersten zwei Minuten zu einer fetten Deathcore Walze. Im weiteren Verlauf wechselt das Lied zwischen diesen ruhigen, introvertierten Passagen und emotionalen Explosionen.
Es ist aber nicht nur die Musik, die Fit For An Autopsy zu einer Band macht, die als eine der wenigen Deathcore Bands genreübergreifend Fans findet, sondern auch die politische Haltung und die Lyrics. Die Band setzt sich seit Jahren vehement für Umweltschutz und Menschenrechte ein und fordert ihre Fans auch gerne mal bei Live-Shows auf, sich mit den Themen und Texten der Band auseinanderzusetzen und politisch aktiv zu werden. Die folgenden Zeilen aus dem Song Pandora sind ein perfektes Beispiel, welche Qualitäten Putney auch als Texter und Lyriker hat:
The curse of coercion // Two sides of a horrid mask // Distorted dependence // Loyalists to the falsest flags // Wet work on the wasteland // White washing the rubble // It's never "too many graves" // It's always "not enough shovels" // Stand in the eye of the storm // All is calm but then comes the killing
Fit For An Autopsy und Will Putney sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass Deathcore als gesamtes Genre seit einigen Jahren wieder interessant wird und mit Oh What The Futur Holds ist ihnen ein grandioses Album gelungen, das künftig als Maßstab dienen wird.
Inzwischen trauen sich immer mehr Bands, das klassische Genre-Korsett zu verlassen. Passenderweise haben am 14. Januar noch eine ganze Reihe anderer Deathcore Bands Alben veröffentlicht, bei denen ihr unbedingt reinhören solltet, wenn euch Fit For An Autopsy gefällt. (In der YouTube Metal Community wurde sogar das Deathcore Weekend 2022 ausgerufen!) Da wäre unter anderem das Debütalbum von Worm Shepherd Ritual Hymns, das prominent Black Metal Einflüsse in seinen Sound integriert, oder auch das vierte Album von Shadow of Intent Elegy. Gerade Shadow of Intent sind mit ihrem cineastischen Symphonic Metal Einflüsse und epischen Arrangements ein absolutes Highlight.
3
Früh im Jahr hat uns bereits ein Album erreicht, auf dass die Szene sehnsüchtig gewartet hat – Epigone von Wilderun (VÖ: 07.01.). 2019 hatte das Quartett aus Boston mit Veil of Imagination für ein heftiges Beben in der Metalwelt gesorgt. Mit ihrer Mischung aus bombastischen Symphonic Elementen, Folk Einflüssen und Death Metal ist der Band für viele Kritiker*innen ein moderner Klassiker gelungen. Immer wieder wird die Band seitdem mit den schwedischen Progressive Ikonen Opeth verglichen, an deren Sound aus den 1990er und frühen 2000er sich Wilderun deutlich orientiert. Diese Vergleiche liegen nicht zuletzt am Klargesang von Evan Anderson Berry, der dem von Opeths Mikael Åkerfeldt erstaunlich ähnlich ist. Nach diesem Erfolg hat sich die Band zu einem echten Darling der Szene entwickelt und mit Century Media ein angemessen großes Label für ihren epischen Sound gefunden. Die Erwartungshaltung vor ihrem vierten Album war also gigantisch, und zumindest für mich, sind sie diesen Erwartungen leider nicht ganz gerecht geworden. Um das gleich vorneweg zu sagen: Epigone ist kein schlechtes Album und ich genieße es in großen Teilen sehr. Alles ist noch größer, noch bombastischer, noch epischer als auf Veil of Imagination – und genau darin liegt ein Problem der Platte. Die cineastischen Orchestrierungen sind so überwältigend, die Riff-Wände so massiv und die Chöre im Hintergrund so gewaltig, dass das alles phasenweise einfach zu einem großen Soundbrei verschwimmt. Diese Momente sind die Ausnahme auf dem Album, aber sie reichen aus, um mich immer wieder aus der Musik rauszureißen und für Irritation zu sorgen. Das ist besonders schade, weil die Band ansonsten über Fähigkeiten im Songwriting und dem Arrangieren ihrer Musik verfügt, die extrem selten sind. Gerade die beiden Vorabsingles Passenger und Identifier sind absolute Highlights, die eine perfekte Balance zwischen dem Bombast und dem Folk-beeinflussten Death Metal der Band finden. Ironischerweise gefallen mir die gekürzten „Radioversionen“ der Songs besser als die ausladenden Albumversionen. Alles in allem ist Epigone dennoch ein absolut hörenswertes und ambitioniertes Prog Metal Album, dass ich guten Gewissens empfehlen kann. Und wer nicht diese absurd hohen Erwartungen an das Quartett hatte, welche von der Band durch den Vorgänger selbst geweckt worden waren, wird sicherlich seine helle Freude damit haben. Ich bin mir sicher, dass Wilderun noch ein Meisterwerk für uns bereithalten werden. Epigone ist es noch nicht.
4 & 5
Bevor wir uns weiter dem Jahr 2022 widmen, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um noch einmal kurz auf die Dinge zurückzublicken, die ich im letzten Jahr verpasst habe. Gerade Alben, die im Dezember veröffentlicht werden, haben traditionell einen schweren Stand, weil viele Journalist*innen oder Blogger*innen da schon mit ihren Best-Off-Listen beschäftigt sind. Um einigen Bands aber ihre wohlverdiente Aufmerksamkeit zu verschaffen, habe ich hier nochmal meine drei liebsten Alben aus 2021 zusammengetragen, die ich nicht in irgendeiner Art und Weise besprochen habe.
Zunächst möchte ich euch die US-Amerikaner von So Hideous vorstellen, bei denen ich es extrem bereue, sie nicht früher kennengelernt zu haben. Sie hätten es problemlos in meine Top-Liste des Jahres geschafft. Auf ihrem vierten Album None But a Pure Heart Can Sing verbindet das New Yorker Quintett Post Black Metal mit Jazz-Elementen auf eine so konsequente und geschickte Weise, wie ich es bisher noch nie gehört habe. Besonders gut funktioniert diese Verbindung in The Emerald Pearl. Der Song beginnt mit starken Western und Enrico Morricone Vibes, ehe die Jazz-Elemente (inklusive Saxofon und Trompete) die Führung übernehmen und sich zu guter Letzt die Black Metal Screams von Sänger Christopher Cruz über die Musik legen. Das große Kunststück der Band besteht darin, dass ihre Musik nicht wie eine willkürliche Aneinanderreihung einzelner Versatzstücke wird, sondern organisch ineinandergreift. New York scheint ein gutes Pflaster für diese Art der Fusion aus Jazz und Extreme Metal zu sein. Imperial Triumphant, die vielleicht kompromissloseste Band dieses Sound-Mix, stammt ebenfalls aus dem Big Apple und wird uns 2022 mit einem neuen Album beglücken.
Auch im Black Metal zu Hause, aber wesentlich „klassischer“ unterwegs, ist das niederländische Duo Doodswens, die am 3. Dezember ihr Debütalbum Lichtvrees veröffentlicht haben. Wer mich kennt, weiß, dass ich eigentlich kein Fan dieses klassischen Second Wave of Black Metal Stils bin, aber Sängerin und Gitarristin Fraukje van Burg schafft es zusammen mit Schlagzeugerin Inge van de Zon, eine perfekte Mischung aus Aggressivität und Atmosphäre zu kreieren. Dabei tritt die Band nicht in „Trveness“ Falle, der meiner Meinung nach viele Underground Black Metal Bands zum Opfer fallen. Die Produktion orientiert sich nämlich nicht an den katastrophalen Aufnahmen der norwegischen Bands aus den 1990ern, sondern setzt auf moderne Standards, ohne direkt glattpoliert zu klingen. Dadurch hört man die einzelnen Elemente des Sounds heraus und die Musik kann ihre ganze Wucht entfalten. Was gut so ist, denn gerade wenn die Band sich Zeit in den Songs lässt, wie bei Zwarte Staar oder Eindzicht, und die Musik sich langsam zu einem großen Finale aufbaut, schafft es das Duo immer wieder, bei mir für Gänsehaut zu sorgen. Wer also Lust hat, sich zwischen aggressiven Screams, Tremolo-Riffs und der Traurigkeit einer kalten und einsamen Winternacht zu verlieren, ist bei Doodswens genau richtig.
Zu guter Letzt möchte ich noch ganz kurz das achte Album der finnischen Doom Metal Legenden Swallow the Sun hochleben lassen. In ihrer über zwanzig Jahre andauernden Karriere hat das Quintett um Gitarrist Juha Raivio einige der herzzerreißendsten und emotionalsten Alben der gesamten Metalgeschichte geschrieben. Auch Wallflower (VÖ: 19.11.) fällt in die Kategorie „Musik, zu der ich weinen kann“. Dass ich das Album nicht schon früher besprochen habe, lag zum einen daran, dass der November voll mit herausragender Musik war und zum anderen, dass Swallow the Sun eine bestimmte Stimmung beim Hörenden voraussetzen, um ihre gesamte Wirkung entfalten zu können. Bei mir war es die Leere zwischen Weihnachten und Neujahr, in der ich mich ganz in die Verzweiflung von Wallflower fallen lassen konnte. Das ist melodischer, hochemotionaler Doom Metal, der auch vom Wechsel des sanften Klargesangs und tiefen Growls Mikko Kotamäkis lebt. Eine absolute Empfehlung für alle, die sich mit einem heißen Tee voller Traurigkeit und Verzweiflung in eine kuschelige Doom Metal Decke wickeln wollen.
6
Es ist schon faszinierend, dass ein Land von der Größe Bielefelds (ob Isländer*innen wohl die Schnauze voll haben von diesem Vergleich?) so unglaublich einflussreich in Sachen Metal ist. Stand 01.01.2022 gibt es im dem 366.00 Einwohner zählendem Land 129 Metalbands. Das sind 35 Bands pro 100.000 Einwohner. Weltweit haben nur die nordeuropäischen Länder Finnland, Norwegen und Schweden mehr Metalbands pro Einwohner. Die Atlantikinsel ist dabei in erster Linie für ihren Black Metal berühmt berüchtigt, konnte sich in den letzten Jahren aber auch einen Namen in Sachen (Technical) Death Metal machen. Umso überraschender ist, dass die Band, die ich euch jetzt vorstelle, nichts mit Black oder Death Metal, ja nicht einmal mit Extreme Metal, zu tun hat. Vorhang auf für Power Paladin! Das 2017 in Reykjavík gegründete Sextett macht nämlich, wie der Bandname vermuten lässt, ganz klassischen, etwas albernen, aber immer grandiosen Power Metal. Ja genau, Power Paladin sind die, Stand heute, einzige Power Metal Band Islands (und sie sind überhaupt erst die zweite Band in der Geschichte des Landes, die dieses Metal Subgenre spielt und in irgendeiner Form Musik veröffentlich hat). Das Faszinierende an der Truppe um Sänger Atli Guðlaugsson ist dabei gar nicht so sehr ihr Exoten-Status als isländische Power Metal Band, sondern wie unfassbar gut ihr Debütalbum With the Magic of Windfyre Steel ist. Ich weiß, ich weiß, ich lasse mich gerne mal von meinem Enthusiasmus davon treiben, aber ich schwöre euch, ich habe kein Power Metal Debüt gehört, dass mich so umgehauen hat, seit Sabatons Primo Victoria (2005). Power Paladin liefern reihenweise Ohrwürmer und waren bisher meine Gute-Laune-Garantie für 2022. Dabei orientiert sich die Band sowohl an den Klassikern des Genres wie Helloween, Avantasia oder Blind Guardian, verpasst ihrem Sound aber eine angenehme Härte und technische Verspieltheit, wie sie bei Dragonforce oder Gloryhammer zu finden ist. Viele jüngere Bands im Power Metal verfallen häufig in kitschige Klischees und sind, da können wir ruhig ehrlich sein, reiner Schlager-Metal. Power Paladin haben im Gegensatz dazu ein unglaublich gutes Gespür für eingängige, aber nicht stumpfe oder klischeeüberladene Songs. Kraven the Hunter, Dark Crystal oder Creatures of the Night sind perfekte Beispiele für das fantastische Songwriting der Band. Für alle Menschen, die gerne Spaß haben und keine kaltherzigen, zynischen Misanthrope*innensind, ist das eine absolute Hörempfehlung.
7
Das Jahr ist gerade einmal ein paar Wochen alt und hielt doch schon einige Skandale (und Skandälchen) für uns bereit.
Den Auftakt machten Judas Priest mit ihrer Ankündigung in Zukunft nur noch als 4-Mann-Band touren zu wollen, also mit einem statt zwei Gitarristen. Damit habe sie viele Fan in eine geradezu absurd wirkende Panik versetzt. War das das Ende des legendären Twin-Guitar Sounds, den Priest und Iron Maiden so legendäre gemacht haben?! Nachdem bei Gitarrist Glenn Tipton 2018 Parkinson diagnostiziert wurde und er nur noch sporadisch bei Live-Auftritten dabei sein konnte, sprang Produzent Andy Sneap, der maßgeblich beim grandiosen letzten Judas Priest Album Firepower (2018) seine Finger im Spiel hatte, als Live-Gitarrist ein. Nachdem im September 2021 bei Gitarrist Richie Faulkner auf der Bühne ein Aorten Aneurysma geplatzt war (er hat den Song dabei sogar noch zu Ende gespielt, eine wilde Geschichte, die ihr hier nachlesen könnt), schien es eigentlich klar, dass Sneap weiterhin Teil der Band bleiben würde. Anfang Januar haben Judas Priest dann die Metalwelt überrascht und verkündet, dass sie nach Faulkners Rückkehr live zu viert weitermachen wollen. Sneap war enttäuscht, und KK Downing, der bis zu seinem Ausstieg aus der Band 2011 40 Jahre lang Gitarrist war, fühlte sich sogar persönlich beleidigt. Und dann gab es da eben noch den Aufschrei der Fanszene. Es war alles ein riesengroßes Kuddelmuddel! Weil Judas Priest aber das Metal-Äquivalent zu Keanue Reeves sind, hören die Herren natürlich auf ihre Fans und gaben am 15. Januar bekannt, dass Sneap doch weiterhin Teil des Live-Lineups bleiben wird. Hach, wie schön! Ende gut, alles gut.
Ganz so leicht sind die Wogen beim zweiten Genre Skandal wohl leider nicht zu glätten. Every Time I Die, eine der erfolgreichsten und ikonischsten Metalcore Bands aller Zeiten, die erst Ende des letzten Jahres mit Radical ein hochgelobtes neues Album veröffentlich hatten, gaben am 17. Januar ihre Trennung bekannt. Und das auf ziemlich hässliche Art und Weise. Vier der fünf Bandmitglieder haben in einem gemeinsamen Statement Sänger Keith Buckley mehr oder weniger direkt vorgeworfen, der Grund für die Trennung zu sein. Dieser hat sich gewehrt, in dem er Statements veröffentlicht hat, die beweisen sollten, dass die restlichen Bandmitglieder seit geraumer Zeit versucht haben, ihn zu ersetzen. In diesem Streit, der schon im Dezember begann, wurden auch immer wieder die Mental Health Probleme von Buckley thematisiert und instrumentalisiert. Insgesamt ist das alles äußerst unschön, vor allem, wenn man bedenkt, dass mit Gitarrist Jordan Buckley Keiths Bruder auf der „anderen Seite“ steht. Wer die ganzen Statements nachlesen will, kann das hier tun. Ein unwürdiges Ende für eine legendäre Band.
8
Bei Black Metal denken ja viele zuerst an Brutalität und Gewalt – aber das Genre hat auch eine zarte und melancholische Seite. Zu den routiniertesten Vertreter dieser Art des Black Metals zählen die Schweden von Ereb Altor. Auf ihrem nunmehr neunten Album Vargtimman verfeinert die Band weiterhin ihren Sound, der eine Mischung aus Epic-Doom, Viking und Black Metal Elementen ist (Sidenote: ja, Viking Metal ist ein eigenständiges und klar definiertes Subgenre, mehr dazu vielleicht ein anderes Mal). Hier gesellen sich Songs, die vor allem vom brüchigen und verletzlichen Klargesang Crister Olssons getragen werden (I Have the Sky, Fenris oder Alvablot) zu düsteren und epischen Black Metal Hymen (Rise of the Destroyer) und über all diese Elemente legt sich ein leichter Folk Schleier. Dieser Sound atmet die DNS der frühen Bathory Werke, verbindet das Ganze aber geschickt mit einer modernen Produktion und den progressiven Ansätzen die Enslaved oder Borknagar in den Black Metal getragen haben. Ein schönes und stimmungsvolles Album, das auch ein guter Einstieg in ein Genre sein kann, dass oftmals abschreckend auf Neuankömmlinge wirkt.
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Der Januar scheint nicht nur Deathcore Monat gewesen zu sein, sondern auch (New Wave of British) Heavy Metal Monat. Drei wirklich grandiose Alben von Bands, von denen zumindest ich vorher noch nie gehört hatte, sind diesen Monat erschienen. Und seien wir mal ehrlich, weil man über klassischen Heavy Metal nicht so wahnsinnig viel erzählen kann, gibt es diese Alben jetzt im Schnelldurchlauf.
Nummer 1: Elimininator – Ancient Light (VÖ: 14.01.)
Ich habe eine richtig gute Nachricht für alle Iron Maiden Fans, die mit dem letzten Album der legendären britischen Band nicht so richtig viel anfangen konnten. Ihr müsst nicht länger auf ein neues Album der Mannen um Bruce Dickinson warten, denn Ancient Light klingt wie ein verloren gegangenes Maiden Album aus den 1980ern, das von Eliminator neu eingespielt wurde. Die Platte hat alles, was ich an der NWOBHM so liebe. Die Twin-Gitarren Melodien, den galoppierenden Bass und catchy Refrains ohne Ende. Ancient Light ist das beste Iron Maiden Album, das nie geschrieben wurde!
Nummer 2: Maule – Maule (VÖ: 14.01.)
Das Debütalbum der Kanadier Maule hat eine unfassbar coole Attitüde. Klar, das ist immer noch Heavy Metal, aber mit einem Punk und Speed Metal Vibe, der dem Ganzen Ecken und Kanten verleiht. Maule ist ein Album, bei dem ich genau hören kann, wie viel Spaß die Mitglieder der Band beim Einspielen hatten. Genau das Richtige für alle, die nicht genug vom Speed Metal der 1980er bekommen.
Nummer 3: Tension – Decay (28.01.)
Wow, endlich mal cooler Heavy Metal aus Deutschland. Tension klingen auf ihrem Debütalbum so unglaublich roh und Lo-Fi, dass ich beim ersten Mal hören sichergehen musste, dass das kein lang verschollen geglaubtes Material aus den 1980ern ist. Ein wenig erinnert das von der Ästhetik an die französischen Bands Herzel und Tentation, die ich letztes Jahr schon sehr abgefeiert habe. Tension verweigern sich fast schon provokant der Entwicklung der letzten 30 Jahre und normalerweise würde mich diese Haltung wohl nerven, aber Decay strotzt nur so vor coolen Riffs und Sing-Along-Passagen, dass ich der Band das nochmal durchgehen lasse.
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Zum Abschluss ein paar weitere Alben, die ich im Januar gerne mochte:
Da haben wir zunächst einmal Battle Beast mit ihrem zuckersüßen und vom 1980er/-90er Jahre Pop inspirierten Power Metal und Noora Louhimos herausragender Stimme (Circus of Doom, VÖ: 21.01.). Als nächstes möchte ich euch die finnischen Folk-Metaller von Verikalpa ans Herz legen, die ein wenig wie Korpiklaani auf Steroiden klingen (Tunturihauta, VÖ: 21.01). Als drittes im Bund haben wir Descent mit ihrem zweiten Album Order of Chaos – 30 Minuten kompromissloser Death Metal mit leichtem Thrash Einschlag (VÖ: 14.01.). Underøath gehörten zu den Metalcore Helden meiner Jugend Anfang/Mitte der 2000er. Voyeurist ist das zweite Album seit ihrem Comeback 2018 und das Beste der Band seit über einem Jahrzehnt (VÖ: 14.01.). Acid River ist das fünfte Album der Progressive Death Metal Pionieren Dark Millenium. Kauziger, Death Doom mit einem Hang zu progressiven Songstrukturen - unkonventionell und großartig (VÖ: 07.01.).
#RobsMetalMoments - Januar 2022
moin Dani, endlich kam ich dazu den newsletter zu lesen. Interessante Info über Judas Priest. Die Bands Eliminator, Maule und Tension gefallen mir am besten. Wer hätte das gedacht? LG Edi