Das ist der zweite Teil meines Black Metal Specials. Solltet ihr den ersten noch nicht gelesen haben, würde ich damit anfangen. Ihr findet ihn hier.
Musikalisch nahmen die Bands das Grundgerüst des Death Metals, viele Bands begannen auch ursprünglich als Death-Metal-Gruppen, und entfernten jegliche Komplexität. Blast Beats, schnelle Tremolo-Riffs, primitive Produktion und Soundqualität und ein stärkerer Fokus auf Atmosphäre statt auf technischer Genauigkeit verliehen der Musik eine bis dato unbekannte Radikalität. Aber wie bereits bei den Bands der First Wave war es mehr noch als die musikalischen Ähnlichkeiten eine gemeinsame ideologische Haltung, die die Szene verband. Nur wurde sie dieses Mal nicht als bloße Pose auf der Bühne aufgeführt, sondern in die reale Welt getragen. Diese Radikalisierung lässt sich aus zwei Gründen erklären. Zum einen einte die Beteiligten damals ein meist rechtsextremes, zumindest aber ein autoritäres und völkisches Weltbild. Wie schon die Schweden Bathory in den 1980er-Jahren nutzen viele Bands ästhetische Marker und Parolen der Nationalsozialisten. Euronymous wiederum, der sich als Kommunist bezeichnete, verehrte Diktatoren wie Pol Pot oder Nicolae Ceaușescu.
Radikalisierung als Geschäftsmodell
Zum anderen war die Szene durch ihr eigenes Auftreten gezwungen, sich unaufhörlich zu radikalisieren. Wollten sie nicht selbst als bloße Poser dastehen, mussten sie den Ankündigungen in ihren Texten und ihrer gesamten Inszenierung fast schon zwangsweise Taten folgen lassen. Denn hinter der oberflächlichen Ablehnung von gesellschaftlichen und religiösen Konventionen und der Kritik an einer vermeintlichen Uniformität im restlichen Metal, stand der ganz banale und weltliche Wunsch nach Aufmerksamkeit und finanziellem Erfolg.
Das wird nicht zuletzt durch die Art und Weise deutlich, wie Euronymous den Suizid des Mayhem-Sängers Per Yngve „Dead“ Ohlin ausschlachtete. Nicht nur machte er Fotos, nachdem er die Leiche seines Bandkollegen fand, sondern nahm Teile seines Schädels mit, um daraus Ketten für seine engsten Vertrauten zu fertigen. In späteren Interviews verfälschte er Motive und Umstände des Suizids, um sie in seine Mayhem-Erzählung einzupassen und der Band zu noch mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Es ist der Aspekt in der Erzählung dieser Bands, der am häufigsten verklärt wird: Enorme viele der Aktionen waren auch durch den banalen Wunsch nach Aufmerksamkeit motiviert. Damit war die norwegische Black-Metal-Szene in vielerlei Hinsicht heuchlerischer als diejenigen, die sie kritisierte.
Diese Radikalisierung führte zunächst zum Anzünden von Kirchen und sollte in den Morden von Bård „Faust“ Eithun (Schlagzeuger von Emperor) an einem homosexuellen Mann in Lillehammer und schließlich von Varg Vikerness an Euronymous selbst ihren unrühmlichen Höhepunkt finden. Es kam aber nicht nur in Norwegen zu Gewaltverbrechen, auch in Deutschland war die Black-Metal-Szene für einen Mord verantwortlich. Mitglieder der rechtsextremen Band Absurd brachten 1993 einen Mitschüler um und werden dafür bis heute in rechtsextremen Kreisen verehrt.
Die ausführlichsten Ausführungen über die Szene jener Jahre finden sich in dem Buch „Lords of Chaos“, das erstmals 1998 veröffentlicht und 2018 verfilmt wurde. Es zeichnet die Entwicklung des norwegischen Black Metals mit zahlreichen Interviews der Beteiligten nach und hat sich längst zum Kultbuch entwickelt. Dabei wird häufig ignoriert, dass Michael Moynihan, der das Buch gemeinsam mit Didrik Søderlind geschrieben hat, selbst Verbindung in die rechtsextreme und neofaschistische Szene hat. So ist der Ton von „Lords of Chaos“ statt eines analytischen mehr ein bewundernder, der wenig Distanz zu seinen Protagonisten aufweist.
Nach dem Tod von Euronymous 1993 fand die norwegische Black-Metal-Szene Mitte der 1990er-Jahre langsam zu ihrem Ende, was nicht zuletzt an der zwangsläufigen Monotonie des Sounds jener Bands lag. Was damals noch nicht absehbar war, ist die strahlende Zukunft, die Black Metal ohne diesen ideologischen Ballast haben sollte.
In das Chaos
Diese Chronologie des Black Metals kann dabei helfen zu verstehen, wieso das Genre heute das vielfältigste innerhalb der Metalfamilie ist. Es lassen sich sowohl für die inhärente politische Haltung des Genres als auch seiner musikalischen Entwicklung direkte Schlüsse aus dieser Historie ziehen. Konzentrieren wir uns zunächst auf die Musik und kehren dafür noch einmal in das Jahr 1987 zurück. Damals veröffentlichte die Schweizer Band Celtic Frost, die aus den frühen Black-Metal-Pionieren Hellhammer hervorgegangen war, das Album „Into the Pandemonium“. Darauf zeigte die Band als erste, wie vielfältig die Einflüsse sein können, um Extreme Metal zu kreieren. Dafür integrierten Celtic Frost verschiedenste Stile aus anderen Musikrichtungen in den eigenen Sound wie Gothic Rock, Dark Wave, Industrial und klassische Musik. Bassist Martin Eric Ain hielt 2014 in einem Interview treffend fest: „There are many, many more shades and colours to darkness than black.”[1]
Damit bildeten Celtic Frost so etwas wie die Blaupause für die Möglichkeiten, die sich musikalisch innerhalb des Black Metals ergeben. Ende der 1990er-Jahre war es schließlich eine norwegische Band, die diesen Weg fortsetzte: Enslaved, die als klassische Black-Metal-Band mit Wikinger-Ästhetik begannen, öffneten ihren Sound wie niemand zuvor für Einflüsse aus dem Progressive Rock. Den letzten großen Meilenstein in der musikalischen Transformation des Black Metals kann man der US-amerikanischen Band Deafheaven zuschreiben und insbesondere ihrem zweiten Album „Sunbather“ (2013) – hier trifft Black Metal auf Post Rock und Shoegaze (ein Stil, der inzwischen als Blackgaze ein eigenes Subgenre bildet). Angefangen beim Cover, das einen rosa-orangen Farbverlauf zeigt, bis hin zur Atmosphäre, die nicht aggressiv, sondern vielmehr verträumt und spirituell wirkt, brach die Band darauf mit so ziemlich jedem Black-Metal-Klischee (und erhielt dafür extrem viel Hass von Oldschool-Fans). Heute gilt „Sunbather“ als eines der einflussreichsten Metalalben aller Zeiten.
Inzwischen gibt es kein Subgenre, das nicht bereits mit Black Metal kombiniert wurde. Das hat denselben Grund, aus dem es im Black Metal so viele Ein-Personen-Projekte gibt: Der reine Sound der Second Wave of Black Metal ist extrem primitiv. Die einfache Struktur der Songs und die gewollt amateurhafte Produktion, haben dazu geführt, dass es verhältnismäßig einfach ist, alleine eine Black-Metal-Platte aufzunehmen. Und diese einfache Struktur der Musik ist es auch, die viel Platz für andere Einflüsse lässt. Seien es bombastische symphonische Elemente, Thrash-Metal-Riffs, anspruchsvoller Death Metal, die Soundwände des Post Metals oder die melodiösen Riffs des Heavy Metals; sie alle können in einem Black-Metal-Gerüst koexistieren.
Die Erbsünde des Black Metals
Aber wenn der Black Metal sich insbesondere in den 1990er auch durch seine völkische Gesinnung konstituierte, wie inhärent ist rechtsextremes Denken diesem Genre? Fakt ist, auch heute gibt es kein anderes Metalsubgenre, das so offen für rechtsradikales Gedankengut ist wie der Black Metal. Mit dem National Socialist Black Metal (NSBM) existiert ein eigenes Mikrogenre, das sich in guter Tradition durch seine faschistische Weltanschauung auszeichnet. Diese Szene mag zwar relativ klein sein, ist inzwischen aber so gut vernetzt, dass es Wissenschaftler*innen gibt, die dafür plädieren, sie nicht als Musikgenre, sondern als politische Bewegung zu betrachten.[2] Zwar werden die Mitglieder dieses Mikrogenres im Rest der Metalwelt gemieden, Shirts, Patches und anderer Merch dieser Bands ist bei Konzerten in der Regel verboten, aber wie eine Recherche von Strg F gezeigt hat, werden diese Verbote nicht immer konsequent durchgesetzt. Und auch aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Burzum-Shirts und -Patches zu sehen ist keine Seltenheit.
Das ist Ausdruck eines größeren Problems. Auch im (Black-)Metal-Mainstream wird gerne mal ein Auge zugedrückt, wie zwei Beispiele zeigen. Die dänische Musikerin Amalie Bruun, die mit ihrer Band Myrkur, die Black Metal mit Neo-Folk-Elementen verbindet, bekannt wurde, äußerte sich 2015 islamfeindlich und nutze rechtsextreme Sprachbilder, um Muslim*innen abzuwerten. 2017 ruderte sie in einem Interview zwar zurück und begründete ihre Aussagen mit ihrer Sorge um die Rechte von Frauen und der LGBTQ-Community und versuchte klarzustellen, dass sie natürlich nicht allen Muslim*innen solche Haltungen unterstellte. Die Frage, ob sie verstehe, dass ihre Aussagen rassistischen seien, verneinte Bruun jedoch energisch. Myrkurs letztes Album „Spine“ (2023) wurde in allen gängigen Szenemagazinen besprochen.
Dieser Fall ist auch deswegen interessant, weil er ein zweites Problem der (Black-)Metalszene verdeutlicht – sein Sexismus. Bruun war als Frau, die sich einer klassischen Vorstellung von Black Metal entzieht, selbst online extremer, misogyner Gewalt aus der Szene ausgesetzt.
Ein anderes Beispiel für den unzureichenden Umgang mit rechtsextremem Gedankengut ist die polnische Band Mgła, die in den 2010er als Posterboy des modernen Black Metals galt. Sie hat 2019 für Aufsehen gesorgt, als sie mit einer Band auf Tour ging, deren Mitglieder fest in der NSBM-Szene verwurzelt sind. Daraufhin wurden Konzerte in München und Berlin abgesagt. Parallel dazu wurde publik, dass Mgła-Sänger Mikołaj „M.“ Żentara ein antisemitisches Soloprojekt hatte. Als er Anfang der 2000er das Album „Judenfrei“ veröffentlichte, war er bereits Frontman bei Mgła. 2022 hat die Band über achtzig Shows in dreißig verschiedenen Ländern gespielt und arbeitet seitdem an einem neuen Album. Es wird spannend zu sehen sein, wie die Metalszene reagiert, wenn es erscheint.
Das ist der zweite von drei Teilen meiner kurzen Serie über die Geschichte des Black Metals. Im letzten Teil wird es über den gegenwärtigen Zustand des Black Metals gehen.
[1] Doku Metal Evolution von BangerTV
[2] Dazu kann ich bspw. die Studie „National Socialist Black Metal: a case study in the longevity of far-right ideologies in heavy metal subcultures” von Ryan Buesnel (2020) empfehlen.