Eine Woche vor Heiligabend und den Weihnachtsfeiertagen sind wir alle beschäftigt, deswegen gibt es jetzt ohne große Vorrede meinen Einstieg in die Top 10. Die Plätze eins bis drei bekommt ihr dann als Weihnachtsgeschenk am 24. Dezember unter den Baum gelegt. Und nun viel Spaß!
#10 Fit For An Autopsy – Oh What the Future Holds
(VÖ: 14. Januar, Nuclear Blast)
Fit For An Autopsy werden nicht ohne Grund als die „Gojira des Deathcore“ bezeichnet. Wer sich fragt, wieso, muss nur einmal in „Far From Heaven“ reinhören. Der Gitarrensound, der Fokus auf den Rhythmus und die politischen Texte erinnern sehr an die französischen Prog-Metal-Giganten. Und in dem auch Fit For An Autopsy progressive Elemente in ihren Sound integrieren, setzen sie sich von der Masse an Bands dieses Trend-Genres ab. „Oh What the Future Holds“ ist nun der vorläufige Höhepunkt in der Karriere der US-Amerikaner. Nie klang das Sextett so vielseitig und hat so viele unterschiedliche Einflüsse verarbeitet. So entsteht ein kurzweiliges Album, bei dem man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hat, das alles irgendwie schon einmal gehört zu haben. Hauptverantwortlich für diesen Erfolg ist Will Putney. Der Gitarrist, der neben seinem Job bei Fit For An Autopsy auch zu den meistgefragtesten Metal-Produzenten der Welt zählt, hat sämtliche Songs alleine geschrieben und beweist erneut, dass er einer der besten Songwriter des modernen Metals ist. Hier können sich die Posterboys des Deathcore Lorna Shore noch eine Scheibe von abschneiden.
#9 Soul Glo – Diaspora Problems
(VÖ: 25. März, Epitaph Records)
Meine Neuentdeckung des Jahres sind ohne jeden Zweifel Soul Glo. Das Quartett aus den USA hat mit ihrem vierten Album für einigen Wirbel in den Staaten gesorgt. Ihre Mischung aus Hardcore, Hip-Hop, Noise und Extreme Metal sucht aktuell wirkliches seinesgleichen. Das ganze Album ist unvorhersehbar, wild und völlig chaotisch, ohne sich dabei in diesen Einflüssen zu verlieren. Die Band schafft es, sowohl Bläser in ihren Sound zu integrieren („Coming Correct Is Cheaper“) als auch fiese Death-Metal-Breakdowns („Thumbsucker“). Mein liebster Teil von „Diaspora Problems“ sind aber fraglos die Lyrics. Ich kenne wirklich wenige Künstler*innen, die den Zustand der Welt so treffend in ihren Texten verarbeiten wie Soul Glo.
My parents were contorted to build a future where // Their children get extorted
And, of course, we can't bear // To tell them their efforts
Were consumed in fire // In fire, fire, fire, fire
The true consumption is that of the rich // And I don't mean on no trendy left shit
The tradition of their habit is all the fine print is //You think you understand ownership?aus „Coming Correct Is Cheaper“
Insbesondere die Art, wie Sänger Pierce Jordan diese Lyrics rüberbringt, hat etwas Packendes. Irgendwo zwischen Rap und Hardcore-Screams schleudert er den Hörenden seine Botschaften ins Gesicht. „Diaspora Problems“ ist für mich nicht nur eines der besten Alben des Jahres mit den stärksten politischen Botschaften, sondern auch eine Erinnerung an mich, dass ich wieder mehr Hardcore hören sollte.
#8 Fellowship – The Saberlight Chronicles
(VÖ: 13. Juli, AVALON)
Als ich angefangen habe, mir Gedanken über meine Top-Liste zu machen, stand ich etwas ratlos vor Fellowship. Eine Band, die in Hobbit-Kostümen verkleidet absolut kitschigen Power Metal macht, ist nicht gerade das Coolste, was man auf so eine Liste packen kann. Aber wisst ihr was? Sie haben sich ihren Platz hier redlich verdient. Es gab in diesem Jahr kein Album, das ich so oft angemacht habe, wenn ich eine Verbesserung meiner Laune gebrauchen konnte, wie „The Saberlight Chronicles“. Die Band hat alles, was ich an Power Metal so liebe: großartige Refrains zum Mitsingen, Melodien, die tagelang im Ohr bleiben, eine Riesenladung Kitsch und sie nehmen sich selbst nicht allzu ernst. Wer absolut nichts mit Power Metal anfangen kann oder generell nicht gerne Spaß im Leben hat, wird Fellowship sicherlich nichts abgewinnen können. Alle anderen lade ich herzlich dazu ein, sich die Herr-der-Ringe-Kostüme überzuschmeißen und mich mit in die „Saberlight Chronicles“ zu begleiten!
#7 Moon Tooth – Phototroph
(VÖ: 13. Mai, Pure Noise Records)
Für mich gibt es einige Alben, die ganz eng mit bestimmten Momenten oder Situationen meines Lebens verbunden sind. Seit diesem Jahr gehört auch „Phototroph“ von Moon Tooth dazu. Als ich im Frühling das große Privileg hatte, für einige Wochen nach New York zu fliegen, hatte ich das Album auf den Ohren, wenn ich alleine durch die Straßen der legendären Metropole gelaufen bin. Der coole, vom Southern Rock inspirierte Heavy und Progressive Metal der US-Amerikaner, passte einfach perfekt in diese eigenartige Form der gelassenen Hektik, die NYC auf mich ausstrahlte. Wenn ich jetzt Moon Tooth anmache, werde ich direkt zurückversetzt in die Straßen des Greenwich Villages oder von Alphabet City. Aber versteht mich nicht falsch, dass „Phototroph“ so weit oben auf dieser Liste gelandet ist, liegt nicht (ausschließlich) an meiner neu gefunden New-York-Liebe. Die Band versteht es einfach, lässigen Heavy Metal zu spielen, der insbesondere von John Carbones Stimme veredelt wird.
#6 Ghost – Impera
(VÖ: 11. März, Loma Vista Recordings)
Muss ich über Ghost wirklich noch etwas sagen? Zahlreiche Grammy-Nominierungen, ausverkaufte Arena-Touren durch die USA und Europa und Platz 2 der US-Billboard-Charts – das Projekt des Schweden Tobias Forge hat so ziemlich alles erreicht, was man als Metal-Band erreichen kann. „Impera“ ist das fünfte Album der Band und setzt den musikalischen Trend seiner Vorgänger nahtlos fort. Eingängiger Retro-Metal, der starke Anleihen am Hard und Psychodelic Rock der 1970er hat. Gatekeeper mögen nun sagen, dass das eigentlich gar kein Metal sei und Ghost ja sowieso viel zu Kommerz. Die gleichen Vorwürfe, die sich alle kommerziellen erfolgreichen Metal-Bands von Metallica über Iron Maiden bis hin zu Gojira früher oder später anhören müssen. Aber ganz ehrlich, so what? Natürlich sind Ghost eingängig. Forge hat nie ein Geheimnis draus gemacht, dass er von vielen Menschen gehört werden will, und das ist gut so! Es gibt aktuell im Rock- und Metal-Bereich nur wenige Musiker*innen, die so viele Hits produzieren wie Ghost und das ist alles was für mich zählt. „Spillways“, „Hunter’s Moon“, „Call Me Little Sunshine” oder „Watcher in the Sky” – „Impera“ strotzt nur so vor Songs, die ich alle lauthals mitsinge, sobald sie irgendwo laufen. Ghost demonstrieren, wie poppig Metal sein kann (oder metallig Pop?), and I see nothing wrong in that!
#5 Venom Prison – Erebos
(VÖ: 4. Februar, Century Media)
Bei den Brit*innen von Venom Prison habe ich mich wirklich unglaublich gefreut, mit welcher Begeisterung die Metal-Welt ihr drittes Album aufgenommen hat. Spätestens mit „Erebos“ hat die Band gezeigt, dass sie die Speerspitze der neuen Generation an Death-Metal-Bands darstellt. Im Vergleich zu früheren Alben ist der Sound auf „Erebos“ etwas zugänglicher, ohne an Intensität einzubüßen. Das beste Beispiel dafür ist „Pain of Oizys“. Das Lied beginnt mit leisen Gitarrentönen, Piano- und Elektroelementen und Larissa Stupars hypnotischem Klargesang, steigert sich dann immer mehr, bis es seinen Höhepunkt erreicht, wenn Stupar uns „Bow to no one - off your knees // I find peace in the roughest seas // Self destruction - soul disease // Live or die - I won't decease“ entgegenschreit. Purer Gänsehautmoment. Und das ist die große Kunst, die Venom Prison inzwischen so gut beherrscht. Sie nehmen die rohe Aggressivität des Death Metals und verwandeln sie phasenweise in etwas fast Zartes. Ich kann es kaum erwarten zu sehen, wohin es die Band noch führen wird. Bei einem bin ich mir aber sicher – es gibt aktuell keine andere junge Band, die so großes Potential hat wie Venom Prison.
#4 Allegaeon - Damnum
(VÖ: 25. Februar, Metal Blade Records)
Was war 2022 für ein grandioses Jahr für den Death Metal?! Ich hätte wahrscheinlich auch eine Top 20 meiner liebsten Death-Metal-Alben des Jahres aufstellen können. Die Krone für das beste Death-Metal-Album des Jahres geht dabei an – Trommelwirbel – die US-Amerikaner von Allegaeon! (Sehr überraschend bei der Überschrift, I know.) Bisher flog die Band bei mir etwas unter dem Radar und ich bin heilfroh, dass sich das geändert hat. „Damnum“ bietet Progressive Melodic Death Metal der Extraklasse. Egal, ob klassischer Death-Metal-Banger wie „Vermin“ oder eine introvertierte und ruhige Prog-Metal-Nummer wie „The Dopamine Void“, alles, was die Band anfasst, wird zu Gold. Am eindrucksvollsten gelingt das bei der Single „Of Beasts and Worms“. Der Song vereint alles, was die Band ausmacht, und deswegen ist es kein Zufall, dass er 2022 mein meistgehörter Song auf Spotify war. Dabei macht Allegaeon gar nicht so viel anders als andere Progressive- oder Melodic-Death-Metal-Bands – aber sie machen alles eben ein ganzes Stück besser.