Schluss, Aus, Ende. Ich habe gehört, was ich hören musste, und bin sehr zuversichtlich, dass ich meine Lieblingsalben des Jahres gefunden habe. Insgesamt habe ich 2022 über 200 Alben gehört, und diese Liste auf vierzig Künstler*innen zu reduzieren ist mir schwer gefallen. Über die meisten Bands habe ich in meinen regulären Newslettern schon geschrieben und werde mich deswegen *etwas* kürzer fasen. Ihr dürft euch aber auch auf ein paar Alben freuen, über die ich bisher noch kein Wort verloren habe. In den kommenden Wochen werde ich euch an jedem Adventssonntag einen Teil meiner Auswahl präsentieren, ehe an Heiligabend mein letzter Newsletter dieses Jahres, mit meinen drei Lieblingsalben 2022, rausgeht. Den Anfang machen heute meine Plätze #40 bis #31. Viel Spaß!
#40 Candlemass – Sweet Evil Sun
(VÖ: 16. November, Napalm Records)
Wir steigen direkt mit einer Band ein, über die ich noch nicht gesprochen habe im vergangenen Jahr – ganz einfach, weil ihr neues Album erst vor knapp einer Woche herauskam. Und Candlemass stehen dabei auch symbolisch für die ganzen Legacy-Bands, die dieses Jahr wirklich gute neue Musik veröffentlicht haben. Queensryche, Blind Guardian, Arch Enemy, Megadeth, Slipknot oder Parkway Drive, sie alle haben neues Material herausgebracht, das mir teilweise richtig gut gefallen, aber keinen Platz in meiner Top 40 gefunden hat. Was haben die schwedischen Doom-Metal-Legenden von Candlemass ihren Kolleg*innen nun voraus? Um ehrlich zu sein nicht so viel, aber „Sweet Evil Sun“ ist für mich die beste Veröffentlichung der Band seit den 1980ern und hat deswegen den finalen Platz in meiner Liste verdient. Damals hat die Band aus Stockholm mit „Epicus Doomicus Metallicus“ (1986) und „Nightfall“ (1987) zwei absolute Meilensteine des Doom Metals veröffentlicht. Genau gekommen gilt das Quintett sogar als Erfinder des Epic Dooms, eine Stilrichtung die den langsamen und schweren Rhythmus des Dooms mit epischen und melodischen Riffs aufbricht. Seit 2018 steht Original-Frontman Johan Langquist wieder am Mikro, und das tut der Band hörbar gut. „Sweet Evil Sun“ ist der vorläufige Höhepunkt von Candlemass‘ Renaissance und Songs wie der Titeltrack, „Wizard oft he Vortex“ oder „When Death Sighs“ beweisen, dass die Schweden auch nach über 35 Jahren Bandgeschichte noch hungrig sind.
#39 Brymir – Voices in the Sky
(VÖ: 26. August, Napalm Records)
Es war ein herausragendes Jahr für Melodic-Death-Metal-Fans. Mindestens ein Dutzend Alben aus diesem Subgenre wurden veröffentlicht, die ich bedenkenlos weiterempfehlen könnte, und einige davon werdet ihr noch in meinem Best-of finden. Die größte Überraschung des Melodeath-Triumphzugs waren für mich Brymir. Das Quintett hebt sich auf angenehme Art und Weise von seinen Genre-Kolleg*innen ab, was vielleicht daran liegt, dass es aus Finnland statt Schweden stammt. Auf „Voices in the Sky“ wird Epik ganz groß geschrieben. Symphonische Elemente, Chöre und vereinzelte Ausflüge in Folk-Territorien verleihen dem Album einen gewissen Bombast-Faktor. Dass sich die Struktur der einzelnen Songs meistens wiederholt und bekannten Mustern folgt, fällt dabei kaum ins Gewicht, da es dem Hörvergnügen keinen Abbruch tut. Getreu dem Motto „Never change a running system“ wissen Brymir einfach, was funktioniert. Nicht das innovativste oder musikalisch anspruchsvollste Melodeath-Album des Jahres, aber eines der unterhaltsamsten.
#38 Soilwork – Övergivenheten
(VÖ: 19. August, Nuclear Blast)
Es lässt sich nur schwer vorstellen, was für ein Jahr das für Soilwork gewesen sein muss. Im August veröffentlichten die schwedischen Melodic-Death-Metaler ihr wieder einmal von Fans und Presse gleichermaßen gefeiertes, neues Album „Övergivenheten“ (deutsch: Verlassenheit). Nur einen Monat später musste die Band dann die schreckliche Nachricht vom Tod von Gitarristen und Songwriter David Andersson bekanntgeben. Das Album ist eine würdige Erinnerung an einen unglaublich talentierten Musiker, denn nie klang eine Soilwork-Platte für mich so konsequent, hat als Gesamtkunstwerk so gut funktioniert und konnte so viele Hits auf einem Haufen vereinen. Das alles liegt nicht zuletzt an Anderssons herausragendem Gitarrenspiel. Für Fans ist „Övergivenheten“ die letzte Gelegenheit Anderssons Talent zu würdigen, und mir bleibt nicht mehr zu sagen als: Ruhe in Frieden.
#37 Deathwhite – Grey Everlasting
(VÖ: 10. Juni, Season of Mist)
Es gibt Bands, da warte ich noch auf den ganz großen Wurf. Dazu gehören die US-Amerikaner von Deathwhite. Versteht mich nicht falsch – „Grey Everlasting“, das dritte Album des anonymen Trios, ist toll (sonst wäre es ja nicht auf dieser Liste). Nur werde ich beim Hören das Gefühl nicht los: Ja, das ist super, aber eigentlich sollte es atemberaubend sein. Der melancholische und unendlich traurige Doom Metal der Band hat so viel Intensität und Sogkraft, dass ich mir sicher bin, sie wäre in der Lage, einen modernen Genre-Klassiker zu schreiben. Aber bis es soweit ist, genieße ich den aktuellen Output von Deathwhite. Vor allem zum hemmungslos Traurigsein gab es dieses Jahr keinen besseren Soundtrack als „Grey Everlasting“.
#36 The Spirit – Of Clarity and Galatic Structures
(VÖ: 1. April, AOP Records)
Es ist schockierend, wie unterschätzt The Spirit sind! Es kommt schließlich nicht von ungefähr, dass der Sound der Band aus dem beschaulichen Saarland immer wieder mit den ganz großen Namen des Metals verglichen wird (Death, Obscura, oder Dissection). Auf ihrem dritten Album haben sie ihren progressiven Blackened Death Metal soweit perfektioniert, dass es mich wirklich fassungslos zurücklässt, dass sie vor allem außerhalb Deutschlands nicht viel mehr Aufmerksamkeit bekommen. Songs wie „Celestial Fire“ oder „The Climax of Dejection“ sind so eingängig wie sie heavy, und ich kenne nicht viele Death-Metal-Gruppen, die aktuell Lieder dieses Kalibers schreiben. Ich kann kaum erwarten, was die Zukunft für das Duo bereithält, und wann der längst überfällig, ganz große internationale Durchbruch endlich kommt.
#35 Amorphis – Halo
(VÖ: 11. Februar, Atomic Fire)
Es ist sicher keine Übertreibung zu sagen, dass Amorphis eine meiner absoluten Lieblingsbands aller Zeiten ist. Es gibt nur wenige Bands, die eine so konstant grandiose Diskografie haben. Von den früheren, wegweisenden Melodic-Metal-Alben der 1990er bis hin zu den progressiveren und melodiöseren Alben der vergangenen 15 Jahre – die Finnen liegen nie daneben. Und so verwundert es auch nicht, dass auch ihr 14. Album „Halo“ auf meiner Bestenliste auftaucht. Die ganz großen musikalischen Überraschungen bleiben dabei zwar aus, aber das ändert nichts daran, dass die Band mit jedem weiteren Album ihren Platz auf dem Metal-Olymp weiter verfestigt.
#34 Maule – Maule
(14. Januar, Gates of Hell Records)
Ich habe es oft gesagt, aber ich wiederhole mich gerne: Zum Schönsten an der Arbeit an diesem Newsletter gehört für mich, wie viele Bands ich dadurch neu entdecke. Das beste Beispiel dafür sind die Kanadier von Maule. Das nach seinem Bassisten benannte Quintett hat Anfang des Jahres ein unglaublich unterhaltsames und im besten Sinne rotziges Speed-/Heavy-Metal-Album rausgebracht. Was die Band aus der Flut der sonstigen „New Wave of Traditional Heavy Metal“-Gruppen abhebt, ist die gekonnte Verbindung aus alt und neu. Auf der einen Seite klingt der Sound so authentisch nach den 1980ern wie nur Weniges, das ich dieses Jahr gehört habe. Auf der anderen Seite hat die Produktion aber einen angenehmen modernen Touch, sodass nicht das Gefühl entsteht, die Band hätte das Album in einer Garage aufgenommen. (Und entgegen dem, was Hardcore-Trve-Gatekeeper sagen, mag ich es ja, wenn man tatsächlich die einzelnen Instrumente hört, statt eines einzigem Soundbrei). Das selbstbetitelte Debüt von Maule ist für mich damit das beste klassische Heavy-Metal-Album des Jahres und sollte auf keiner Metal-Silvesterparty fehlen!
#33 Undeath – It’s Time … To Rise From the Grave
(22. April, Prosthetic Records)
In meinem April-Newsletter habe ich geschrieben, dass „It’s Time … To Rise From the Grave“ von den US-Amerikanern Undeath ein einziger Liebesbrief an den Death Metal ist – und bei dieser Aussage bleibe ich und könnte den Text damit eigentlich auch beenden. Denn mehr muss man über das Album eigentlich nicht wissen. Es gibt aktuelle keine andere junge Band (gegründet erst 2018), die den klassischen Old-School-Death-Metal-Sound so hinbekommt wie das Quintett aus Rochester, New York. Und völlig zurecht haben sie damit nicht nur mich verzückt, sondern der gesamten Metal-Welt den Kopf verdreht. Die bisher größte Auszeichnung kommt wahrscheinlich vom legendären Szenemagazin „Decibel“. Die haben das Album nämlich zum besten des Jahres gekürt. Ganz ehrlich, was braucht ihr noch, um euch den häufig angenehm selbstironischen Death Metal von Undeath anzuhören?
#32 Dreadnought – The Endless
(VÖ: 26. August, Profound Lore Records)
Schubladen kennen die US-Amerikaner*innen von Dreadnought nicht. Progressive Metal, Black und Death, Doom oder Post – das Quintett bedient sich überall da, wo sie etwas finden, das ihren Songs hilft. Herauskommt ein Sound, der zwar speziell und komplex ist, dabei aber niemals prätentiös oder überladen klingt. Mein persönliches Highlight sind die Stimmen der beiden Sängerinnen Kelly Schilling (Gitarre) und Lauren Vieira (Keyboard). Diese harmonieren sowohl in ihren unterschiedlichen Klar-Gesangsstimmen als auch den Growls und Screams perfekt miteinander. Dazu kommt, dass mich das Konzept des Albums, das sich mit der Frage beschäftigt, wie wir als Menschheit in einer apokalyptischen Welt überleben können und ob wir das überhaupt wollen/sollten, einfach abholt und wie die Faust aufs Auge ins Jahr 2022 passt. Und obwohl „The Endless“ anspruchsvoll und intensiv ist, finde ich es doch ziemlich gut zugänglich. Was für sich genommen schon ein Kunststück ist.
#31 Konvent – Call Down for the Sun
(VÖ: 11. März, Napalm Records)
Das extremste Album, das ich dieses Jahr gehört habe, stammt von Konvent. Das liegt nicht daran, dass die Band besonders schnell oder hart ist, sondern eher am Gegenteil: „How slow can you go?“ scheint das Motto der Däninnen zu sein. Ich kenne keine Musik, die bei mir ein so klaustrophobisches Gefühl auslöst wie der Death Doom auf „Call Down For the Sun“. Langsame Riffs, tiefe Growls, fast schon monotones Bass-Spiel und Drumming sorgen dafür, dass die eigene Umgebung beim Hören immer dunkler und enger wird. Dass ich trotzdem nicht anders kann, als dem Album weiter zu folgen, spricht für das unglaubliche Songwriting-Talent von Konvent. Kein Album für jeden Tag, aber wenn man in der Stimmung für diese Art extremer Hörerfahrung ist, findet man hier genau das Richtige.
#RobsMetalMoments – Best Metal Albums of 2022
Mit Candlemass, Brymir und Maule kann ich mich schnell anfreunden. Bei den Death Metal Bands wäre es wohl Konvent. Also denn Mal sehen was beim nächsten post kommt. bis später Edi