Noch mehr Metal? Ja, noch mehr Metal! Ich habe im letzten Jahr wieder festgestellt, wie viel Spaß mir das Schreiben über Musik macht. Da ich außerdem so meine Probleme mit dem deutschsprachigen Metal Journalismus habe (berühmte Youtuber explizit mitgemeint) habe ich beschlossen, einfach selbst regelmäßig etwas darüber zu schreiben. Am Wochenende nach dem letzten Freitag im Monat (also dem letzten Album Release Day) werde ich immer meinen persönlichen Monatsrückblick in einigen kurzen Anekdoten oder Reviews hier veröffentlichen.
1
Das Jahr 2021 beginnt, zumindest musikalisch, unfassbar vielversprechend. (Das ist so ein Satz, den man eigentlich auch jedes Jahr sagt, oder? Aber dieses Mal meine ich es wirklich ernst!) Soen haben am 29. Januar ihr neues Album Imperial veröffentlicht und mich damit direkt ins Herz getroffen. Die Prog-Rock/Metal Band, die vom ehemaligen Opeth Schlagzeuger Martin Lopez gegründet wurden, gehört längst zum besten und erfolgreichsten was das Genre zu bieten hat. Sie treffen genau meinen Sweetspot zwischen Eingängigkeit und Komplexität. Neben dem herausragenden Songwriting und Lopez Drumming ist es der Gesang von Joel Ekelöf, der Soen von anderen Bands abhebt. Ilussions ist das dafür das perfekte Beispiel. Die Ballade überlässt Ekelöfs intensiver Stimme die Bühne und setzt sie mit einigen Progressive Rock Riffs perfekt in Szene. Ein Lied das auch jeden Nicht-Metal Fan berühren wird – versprochen.
Mein Lieblingslied dieses Albums ist Antagonist. Die erste Vorab-Single ist druckvoll, energisch und eindringlich, und zeigt wie gut die Rhythmus-Sektion (Bass, Schlagzeug) von Soen ist. Unterschwellig vermittelt das Lied dabei aber eine Unruhe und Bedrohlichkeit, die gut durch das Video eingefangen wird.
Wie auf allen bisherigen Alben, hat auch auf Imperial jedes Lied einen Titel, der genau aus einem Wort besteht. Es sind diese Kleinigkeiten, diese Konsequenz in der Band-Konzeption, die Soen (der Name bedeutet übrigens nichts, Lopez wollte einen Bandnamen, mit dem die Hörenden vorher nichts assoziieren) inzwischen zu einer meiner Lieblingsbands gemacht haben.
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Eine Gothic Metal/Shock Rock Band, die aus Transylvania County in den USA kommt und Songs über Hexen, Hexer, Untote und andere Gestalten der Nacht schreibt? Das ist zu gut, um sie nicht kurz zu erwähnen. Bloody Hammers haben auf ihrem neuen Album Songs of Unspeakable Terror (VÖ: 15.01.) ihre früheren Doom Einflüsse etwas zurückgeschraubt und dadurch ein super unterhaltsames Shock-Rock Album mit leichter Punk-Attitüde geschrieben, dass teilweise an Alice Cooper erinnert (und mich manchmal sogar an eine Horror-Version von Volbeat denken ließ). Sollten Zombies, Vampire und Co. Hauspartys feiern dürfen, dieses Album würde da definitiv in der Playliste auftauchen!
3
Choo-Choo alle an Bord des Nervosa Hypetrains! Es ist schon beeindruckend für wie viel Aufregung das Thrash-Metal Quartett mit ihrem vierten Album Perpetual Chaos gesorgt hat (VÖ: 22.01.). Sie sind die erste All-Female Band die es auf das Cover des Extreme Metal Magazins Decibel geschafft hat, und der YouTube Channel BangerTV (eine der größten Online-Plattformen für Metal) hat der Band eine ganze Woche gewidmet (mit einem Interview von Daniel Dekay und einer Review von Sarah Kitteringham). Und das absolut zurecht! Das Album wäre unter normalen Umständen, mit seinem Death und Black Metal beeinflussten Thrash Metal, der an alte Sepultura, Destruction oder Sodom erinnert, schon herausragend, aber betrachtet man die Geschichte der Band in den letzten zehn Monaten wird es noch außergewöhnlicher. Im März 2020 gab Bandleader und Gitarristin Prika Amaral die Trennung von Fernanda Lira (Bass, Gesang) und Luana Dametto (Schlagzeug) bekannt und startete ein globales Casting nach neuen Mitgliedern. Das ganze digital weil, naja, es gab und gibt da diese Pandemie die es schwierig macht sich persönlich zu treffen, gerade wenn man nicht auf demselben Kontinent lebt. Bereits im Juli, als die Corona Beschränkungen es zuließen, traf sich Prika mit ihren neuen Mitstreiterinnen Diva Satanica (Gesang, Spanien, die mit einem Auftritt bei The Voice in Spanien bekannt wurde), Mia Wallace (Bass, Italien, die vorher bei der Black Metal Band Abbath war und hörbar ihren schwarzmetallischen Einfluss mitbringt) und Eleni Nota (Schlagzeug, Griechenland, die so absurd gut ist – mein heimlicher Star des Albums) erstmals in Spanien, wo sie sofort das Album aufnahmen. Aus dem brasilianischen Trio war ein internationales Quartett geworden. Dass sich die vier Musikerinnen erst vor Ort kennenlernten hört man dem Album zu keiner Zeit an. Es ist ein aggressives Riff-Monster entstanden, das den Zuhörenden kaum Zeit zum Durchatmen lässt. Songs wie der Titel-Track, Rebel Soul oder People of the Abyss verbinden diese Wut, die man dem hochpolitischen Album jederzeit anhört, mit einer Eingängig- und Einmaligkeit die selten in diesem Genre ist. Perpetual Chaos ist für mich eines der besten Thrash-Alben der letzten Jahre und ein sehr frühes musikalisches Highlight 2021.
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Die sich verschärfende Klimakrise, der Aufstieg der neuen Rechten oder diese Pandemie, die uns immernoch in Schach hält – es gibt viele Gründe an das Ende der Welt zu glauben (die Frage, ob es jemals anders bzw. besser war, stellen wir mal hinten an) und es gibt wohl keine Musikrichtung, die mit diesen endzeitlichen Gefühlen so assoziiert wird wie Metal. Eine Band, die diese Stimmung besonders gut einfängt, sind die Iren Dread Sovereign. Auf ihrem neuen Album Alchemical Warfare(VÖ: 15.1) klingt ihr Doom Metal so apokalyptisch, das ich das Gefühl nicht loswerde, dass das Trio nur auf diesen Moment gewartet hat. Durch die dreckige Produktion und das Einbinden einiger Rock-Elemente wird das Album dazu eingängig genug, dass es bei mir seit Wochen rauf und runter läuft. Den Refrain aus She-Wolves oft he Savage Season bekomme ich einfach nicht aus meinem Kopf. Perfekte Begleitung für etwas Fatalismus während des Lockdowns.
5
Die „One-Man-Black-Metal“-Band ist eines der größten Klischees, die es im Metal gibt. Jedes Jahr tauchen dutzende Projekte auf, bei denen ein Kerl im Keller seines Elternhauses ein Album zusammengeschraubt hat. Manchmal wird es großartig (wie beim Schotten James McBain und Hellripper), meistens sind aber es nur schlecht produzierte Tapes, die mich achselzuckend zurücklassen. Umso erfreulicher, wenn es dann doch mal ein Debüt gibt, das heraussticht und es sich zudem nicht um ein Ein-Mann, sondern ein Ein-Frau Projekt handelt. Black Metal ist Subgenre in dem die Dominanz weißer cis Männer noch immer am deutlichsten spürbar ist. Umso mehr freue ich mich, dass mir Hulders Debüt Godslastering: Hymns of a Forlorn Peasantry wirklich gefällt. Okay, zugegeben, auch Hulder macht mich nicht mehr zum bedingungslosen Black Metal Fan. Aber die Mischung aus Old School Black Metal und den Atmospheric Elementen den die Belgierin, die inzwischen in Oregon lebt, präsentiert, ist so abwechslungsreich, dass das Album bei mir regelmäßig zum Arbeiten läuft.
6
Es gibt wenig Extreme Metal Bands, die so sehr gehyped werden wie die Death Metaler von Gatecreeper. Und was stellen sie mit diesem Hype an? Sie veröffentlichen mit nur 24h Vorankündigung ihr neues Album An Unexpected Reality und scheißen auf alle Regeln des Musikbetriebs. Die Platte hat 8 Songs, wovon 7 jeweils ca. eine Minute lang sind (mit so schönen Titeln wie Superspreader oder Sick of Being Sober, welches globale Ereignis da wohl Inspirationsquelle war?) und einer 11 Minuten. Gerade das 11 Minuten Death-Doom Monster Emptiness ist absolut brillant. Eine großartige und sympathische Veröffentlichung.
7
Der (inzwischen ehemalige?) Iced Earth Gitarrist John Schaffer war einer der prominentesten Terroristen, die Anfang Januar das Kapitol in Washington gestürmt haben. Inzwischen hat er sich der Polizei gestellt und wird in Washington D.C vor Gericht gestellt. Das Schaffer, der gerne mal mit Konföderierten-Flagge als Kopftuch auf der Bühne stand, so weit nach rechts außen abgedriftet ist, ist nun wirklich nicht überraschend. Enttäuschender finde ich da schon die eher lauwarmen Distanzierungen seiner Stammband Iced Earth und Blind Guardian (deren Sänger Hansi Kürsch 2019 noch mit Schaffer und ihrem gemeinsamen Projekt Demons & Wizards Headliner beim Wacken Open Air war). Allen Beteiligten würde es guttun, expliziter und energischer klar zu machen, dass sie mit Schaffer in Zukunft nicht mehr zusammenarbeiten werden.
8
Apropos Metal in den Schlagzeilen - Nicolas Freund scheint der neue Mann für „alles mit Metal“ bei der SZ zu sein. So schrieb er sowohl den Nachruf auf Alexi Laiho, als auch eine Einschätzung zur Beteilung von Schaffer beim Sturm auf das Kapitol. Prinzipiell freue ich mich über jeden Bericht, der mit Metal zu tun hat und außerhalb von Szene Magazinen erscheint. Gerade Freunds Ansatz zu fragen, inwiefern gewisse Tendenzen im Metal dazu führen, dass sie zur Radikalisierung von Rechtsextremen genutzt werden, ist enorm wichtig. Nur leider untergräbt er seine Texte immer wieder mit völlig grotesken Gemeinplätzen. So schreibt er im Schaffer-Text: „Wobei wichtig zu betonen ist: Metal ist, von einigen Sub-Subkulturen abgesehen, an sich weitgehend unpolitisch.“ Um beim wirklich völlig misslungenen Nachruf auf Laiho diese unfassbare Zeile zu schreiben: „Sei's drum: Metal ist ja auch kein unbedingt textlastiges Genre.“ Das Metal großteils unpolitisch und nicht textlastig sein soll sind so haarsträubende Aussagen, dass ich exemplarisch nur diesen Text über die politische Geschichte des Metals verlinke. Die beiden Artikel passen aber in eine Medienlandschaft, die absolut keine Idee hat, wie sie angemessen über dieses Genre schreiben kann.
9
Das Bekanntwerden des Todes von Alexi Laiho, war vielleicht der schlechtest mögliche Start in das neue Jahr. Am 4. Januar gab sein Label und seine Band den Tod des ehemaligen Children of Bodom (CoB) Frontmans Ende 2020 bekannt. Laiho war einer der außergewöhnlichsten und besten Gitarristen unserer Zeit und CoB gehörte bei mir und vielen meiner Freund*innen zu den ersten härteren Metalbands die wir hörten. Zu sagen er hat eine Generation junger Metalfans geprägt ist keine Übertreibung. Es macht mich unbeschreiblich traurig, dass er so früh gestorben ist. Sein letztes Album mit Children of Bodom Hexed hat mich 2019 wieder mit der Band versöhnt, nachdem ich sie für einige Jahre aus den Augen verloren hatte. Den schönsten Nachruf hat Chris Krovatin von The Pit geschrieben
"At a time when [...] metal was standing against a far wall with its arms crossed, Alexi Laiho came sauntering over, handed it a beer, and pulled it onto the dance floor. And for that, metalheads owe him everything."
(Den ganzen Nachruf findet ihr hier: How Alexi Laiho’s Fun and Fearlessness Saved Metal From Itself)
So werde ich Laiho in Erinnerung behalten und sicher immer mal wieder zu seinen unglaublichen Riffs und Songs zurückkommen.
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Zum Abschluss ein paar weitere Alben die ich im Januar mochte:
Dragony – Viribus Unitis (Power Metal, VÖ: 15.01., hier kurz die absurde Story hinter dem Konzeptalbum um die K. und K. Monarchie, Kaiserin Sissi und Kaiser Franz-Joseph)
Asphyx – Necroceros (Death Metal, VÖ: 22.01.)
Therion – Leviathan (Symphonic Metal, VÖ: 22.01.)
Tribulation – Where the Gloom Becomes Sound (Gothic-/Doom-Metal, VÖ: 29.01.)
Crystal Viper – The Cult (Traditional Heavy Metal, VÖ: 29.01.)
Das war es für den Januar, wir lesen uns Ende Februar wieder. Metal on!