Bevor wir mit dem eigentlichen Countdown und unserem Gast für heute beginnen, nochmal etwas Anderes. Vergangenen Montag, am 13. Dezember war der 20. Todestag von Charles „Chuck“ Schuldiner. 2001 verstarb der Frontman und Gitarrist der legendären Death Metal Band Death im Alter von nur 34 Jahren an einem Gehirntumor. Schuldiner ist einer der wichtigsten Metalmusiker aller Zeiten und insbesondere der Death und Progressive Metal, würde ohne ihn heute wohl nicht so klingen, wie wir es kennen. Für 54books durfte ich ein persönliches Portrait zu Ehren von Schuldiner schreiben und es würde mich freuen, wenn ihr den Text lest. RIP Chuck, solange es Metal auf diesem Planeten gibt, wirst du unvergessen bleiben. Den Text findet ihr hier:
Growling – Über einen Visionär des Death Metal
Mit unserem Countdown der besten Metal Alben 2021 befinden wir uns auf den letzten Metern und mein Gast, der uns diese Woche sein liebstes Album verrät, ist der YouTuber Robert Walton aka The Metal Meltdown. Robert gehört zu meinen regelmäßigen Inspirationsquellen, wenn es um neue Alben geht. Seine euphorische, teilweise recht erbarmungslose aber immer ehrliche Art über Musik zu reden, trifft einfach einen Nerv bei mir. Dazu kommt, dass Robert, genau wie ich es versuche, die soziale und politische Seite der Musik mitdenkt. Regelmäßig kritisiert er Bands und Musiker (kein generisches Maskulinum) für ihren sexistischen, rassistischen oder transfeindlichen Bullshit.
Roberts Picks:
„In a year defined by social, political, environmental, and economic catastrophe & anguish, what I needed more than anything else was an escape. Panopticon's "...And Again Into The Light" was exactly that. Lush, explosive, brutally honest black metal born out of love and humility and hope, channeling the majesty of the Appalachian mountains and valleys. One listen sends you on a journey through America's most underrated natural beauty, complete with roaring melodies, intimate & rustic slide guitars, and classic earthy black metal production. This band has always been one of modern metal's most unique bands, but now its safe to say they're one the best.“
Ich kann euch Roberts Channel nur ans Herz legen und weil Panopticon später auch in dieser Liste auftaucht, hier eine kleine Kostprobe von Roberts Arbeit – seine Besprechung von ...And Again Into The Light:
#20 Thy Catafalque – Varduk (VÖ: 25.06.)
Zum einen liebe ich es einfach, wenn Bands in ihrer Muttersprache singen und zum anderen bin ich ein großer Fan, von avantgarden Ansätzen im Metal. Beides trifft auf die Ungarn Thy Catafalque und ihr neues Album Varduk zu. Ursprünglich war das Projekt mal eine Black Metal Band, aber Bandleader und Songwriter Tamás Kátai hat diese engen Genregrenzen längst hinter sich gelassen. Auf Varduk, dass Wildling bedeutet und damit eine ziemlich treffende Charakteristik des Albums ist, fließen Black Metal, Jazz, Folk, Pop, Elektro und Industrial Elemente zusammen. Im Vergleich zum Vorgänger Naiv, dass schon 2020 zu meinen liebsten Alben gehörte, ist Varduk wieder härter und die Black Metal Einflüsse scheinen deutlicher durch, aber dominieren nie den Sound. Für mich glänzt das Album immer dann, wenn Martina Veronika Horváth mit ihrer Stimme Raum zur Entfaltung bekommt (wie im grandiosen Folk-lastigem Köszöntsd a hajnalt). Einen Song auszuwählen, der repräsentativ für das gesamte Album steht, ist so ziemlich unmöglich. Allen die sich musikalisch gerne Mal abseits ausgetretener Pfade bewegen, empfehle ich daher sich einfach das ganze Album anzuhören.
#19 Nervosa – Perpetual Chaos (VÖ: 22.01.)
Im Rückblick betrachtet kann man sagen, dass Perpetual Chaos, das vierte Album der international besetzten Band Nervosa, schon im Januar ein Vorbote dafür war, was für ein tolles Jahr es für den Thrash Metal werden sollte. Eigentlich ist Thrash nicht gerade mein Genre, aber die jungen Bands, die sich aktuell anschicken in die Fußstapfen der Big Four (Metallica, Megadeth, Slayer, Anthrax) zu treten, machen richtig Spaß. Und ganz vorne mit dabei sind Nervosa um Bandleaderin und Gitarristin Prika Amaral. In der allerersten Ausgabe dieses Newsletters im Januar (nachzulesen hier) habe ich schon ausführlich über die Entstehungsgeschichte von Perpetual Chaos geschrieben - die Trennung von Fernanda Lira (Bass, Gesang) und Luana Dametto (Schlagzeug, aus denen parallel Crypta entstand), das internationale Casting für neue Bandmitglieder und die Aufnahmen während der Pandemie. An dieser Stelle nur noch so viel: der Death und Black Metal beeinflusste Thrash von Nervosa ist mit das Unterhaltsamtest was ich dieses Jahr gehört habe. Auch nach fast einem Jahr läuft Perpetual Chaos bei mir regelmäßig rauf und runter. Vor allem Diva Santanicas Vocals sind ein echter Hochgenuss und Garant dafür, dass in einem grandiosen Jahr für den Thrash Metal an sich, Nervosa doch aus der Masse hervorstechen.
#18 1914 – Where Fear and Weapons Meet (VÖ: 22.10.)
Ich muss ja zugeben, ganz so oft bin ich zu dem dritten Album Where Fear and Weapons Meet der Ukrainer 1914 nicht zurückgekehrt, wie die hohe Platzierung in dieser Liste vermuten lassen könnte. Aber ganz ehrlich, authentische Anekdoten über den ersten Weltkrieg (Sänger und Songwriter Dmytro Kumar ist Archäologe und beschäftigt sich auch wissenschaftlich mit Ausgrabungen an Schlachtfeldern des 1. Weltkriegs in Osteuropa) verpackt in einen Sound der zwischen Death, Black und Doom Metal changiert, ist auch nichts für den entspannten Sonntagnachmittags Tee. Dennoch hat mich die schiere Intensität dieses Albums nicht losgelassen. 1914 schaffen es erfolgreich jedes Klischee zu umgehen und nähern sich dem Gegenstand, den sie besingen mit einer Demut und Akribie, die sich dann auch in der Musik wiederfindet. Es wundert mich nicht, dass gerade in der Extreme Metal Szene ein absoluter Hype um dieses Album entstanden ist.
#17 Panopticon – …And Again Into the Light (VÖ: 15.05.)
Robert hat oben ja schon einiges zu dem Album gesagt, deswegen fasse ich mich kurz. …And Again Into The Light ist des beste Black Metal Album 2021 für mich. Austin Lunn, der im Prinzip für das gesamte Projekte allein verantwortlich ist, kreiert einen Sound, der so emotional dicht und vielschichtig ist, dass es nur schwer in Worte zu fassen ist. Es dauert fast zehn Minuten ehe das Album überhaupt das erste Mal in die Black Metal typische Aggressivität und gutturalen Vocals verfällt. Panopticon haben über die Jahre ihren ganz eigenen Sound erschaffen, der inspiriert von den nordamerikanischen Weiten ist und es schafft, diese Schönheit in das unwirtliche Korsett des Black Metals zu übertragen. Jede musikalische Brutalität wird mit ruhigen, fast schon introvertierten Folk-Passagen kontrastiert. Ein perfektes Beispiel dafür ist Rope Burn Exit, das erst mit sanften Streichern beginnt, dann aber wie ein Sturm über die Hörenden hineinbricht. Der Song baut sich immer weiter auf, ehe er nach sieben Minuten seinen Höhepunkt erreicht und sich in eine kühle Winternacht in den Appalachian Mountains verwandelt.
#16 Rivers of Nihil – The Work (VÖ: 24.09.)
Ich glaube, ich habe dieses Jahr kaum ein Album häufiger erwähnt als Where Owls Know My Name, und das obwohl es ja schon 2018 rausgekommen, sei es als Vergleich mit anderen Bands, oder eben im Bezug auf Rivers of Nihil. Aber was soll ich machen, wenn das Quintett mit dem Vorgänger zu The Work einen echten modernen Klassiker geschrieben haben, der so einen enormen Impact auf die Metal Szene hatte. So verwundert es dann auch wenig, dass viele Fans und Expert*innen ein wenig enttäuscht von dem vierten Album der US-Amerikaner The Work waren. Für mich ist das Album allerdings eine perfekte Fortsetzung zu Owls, weil es gar nicht erst versucht den übergroßen Vorgänger zu kopieren, sondern sich darauf besinnt, den eingeschlagenen Weg weiter fortzusetzt. Rivers of Nihil werden immer mehr zu einer Progressive Metal Band (die auch verstärkt Elemente außerhalb des Metals in ihren Sound integriert) mit Death Metal Einflüssen statt andersrum. Das Saxofon bekommt zwar auch auf The Work seinen Platz, aber wohldosiert und die US-Amerikaner verhindern damit, dass sie zu einem „One Trick Pony“ werden. Was mich aber besonders anspricht an dem Album ist das lyrische Konzept. The Work erkundet alle Bereiche der Arbeit. Sei es emotionale Arbeit an sich (Maybe One Day) oder an Beziehungen mit anderen (Episode), oder die kapitalismuskritische Beschreibung von Arbeitsbedingungen und den Fokus auf Geld in vielen Bereichen (Clean). Rivers of Nihil haben sich das Wort Work genommen und erkunden alle seiner Facetten. Zu guter Letzt ist mit The Void From Which No Sounds Escape auch noch ein absolutes Meisterwerk auf diesem Album, dass für mich inzwischen mein Lieblingssong der Band ist. Mit The Work machen Rivers of Nihil nicht nur einen weiteren Schritt um eine meiner absoluten Lieblingsbands zu werden, sondern auch in die erste Reihe junger Metalbands, die das Genre anführen. Und das ganze absolute verdient!
#15 Mastodon – Hushed and Grim (VÖ: 29.10.)
Einen solchen Platz haben Mastodon längst erreicht, gelten sie doch immer mal wieder als die beste Metalband, die in diesem Jahrtausend gegründet wurde. Seit einigen Jahren hat sich die Band von dem chaotischen Sludge Metal ihrer Anfangstage verabschiedet und bewegt sich zunehmend in Progressive Metal Gefilden. Das hat natürlich nicht allen gefallen, und so spaltet auch Hushed and Grim, das achte Album der Band, wieder Teile der Metalszene. Als Hommage an ihren verstorbenen Freund und Bandmanager Nick John ist das Album für mich persönlich aber das emotionalste, intensivste und irgendwie auch schönste ihrer Bandgeschichte. Außerdem zeigen Mastodon hier ihre ganze Vielseitigkeit: Southern Rock Einflüsse (The Beast), eine echte Ballade (Hadi t all) und sogar zwei kurze Rückkehren zu dem Sound ihrer ersten Platten (Savage Lands, Pushing the Tides). Seit ihrem legendären Crack the Sky (2009) klang Mastodon für mich nie besser.
#14 Obscura – A Valediction (VÖ: 19.11.)
Es wird Zeit, dass Obscura den großen Durchbruch schaffen. In der Progressive und Technical Death Metal Szene ist das deutsche Quartett rund um Bandchef Steffen Kummerer natürlich längst einflussreich und populär, aber für mich gehört die Band auf die ganz großen Festivalbühnen. A Valediction untermauert diesen Anspruch auf beeindruckende Weise, denn Kummerer und seine Mitstreiter zeigen hier, dass es Obscura eben nicht nur darum geht noch schneller, noch technischer und noch verkopfter zu sein - das große Problem mit vielen Technical Death Metal Bands. Stattdessen lässt sich das Quartett vom Melodic Death Metal schwedischer Prägung der 1990er inspirieren und legt ein sensationelles Album voller Hits vor. Ob es der Titeltrack ist, When Stars Collide oder The Neuromancer, das Albums strotzt nur so vor catchy Riffs und eingängigen Melodien. Dabei verleugnen die vier Musiker natürlich nie ihre technischen Fähigkeiten, ganz im Gegenteil, immer wenn es einem Song dienlich ist, kommt ein absurdes Solo oder eine Basslauf, bei dem man nur mit der Zunge schnalzen kann. Obscura bleiben eine der besten deutschen Metalbands der Gegenwart und Steffen Kummerer einer ihrer talentiertesten Musiker.
#13 Crypta – Echoes of the Soul (VÖ: 11.06.)
Ich habe ja oben schon beschrieben, wie gut die Trennung des ursprünglichen Nervosa Line-Ups für die Band war. Gleiches ließe sich definitiv über Crypta sagen, die aus den beiden ausgestiegenen Nervosa Mitgliedern Fernanda Lira und Luana Dametto besteht. Die Brasilianerinnen haben sich dazu Taina Bergamaschi und Sonia Anubis an den Gitarren mit ins Boot geholt und die Old School Death Metal Combo Crypta gegründet. Und sowohl Nervosas neues Album als auch Cryptas Debüt Echoes of the Soul sind besser, als alles was die „alten“ Nervosa davor gemacht hatten. Also das perfekte Beispiel für eine Win-Win-Win Situation. Auf Echoes of the Soul geben sich die vier Musikerinnen ganz ihrer Liebe für die unterschiedlichen Art des Death Metals der 1990er hin. Mal ist das melodisch ganz im Stil der Göteborger Schule (From the Ashes), mal geradeaus und aggressiv wie die Florida Bands um Cannibal Corpse zu besten Zeiten (Starvation) und mal technisch anspruchsvoll und progressive mit Death als klarem Vorbild (Dark Night of the Soul). Dabei kann jede Musikerin ihren eigenen Stil einbringen, wobei der heimliche Star des Albums (zumindest für mich) Sonia Anubis ist. Was die gerade erst 23-jährige da an der Gitarre veranstaltet ist der schiere Wahnsinn. Ihre Soli gehören zum Besten was ich dieses Jahr gehört habe. Crypta wurden inzwischen fürs Wacken Open Air bestätigt und ich kann es kaum erwarten das Quartett live auf der Bühne zu sehen.
#12 Soen – Imperial (VÖ: 29.01.)
Dass Soen die erste Band war, über die ich in diesem Newsletter geschrieben habe, liegt nicht nur daran, dass Imperial ein fantastisches Album ist, sondern auch, dass sie inzwischen zu meinen absoluten Lieblingsbands zählen. Es gibt im Progressive Metal aktuell keine Band (jedenfalls keine die ich kenne), die diese Mischung aus Eingängigkeit, Melodie und Emotionalität so herausragenden mit technischem Anspruch und Kreativität paart. Deswegen ist Soen auch eine der Bands, die ich gerne Nicht-Metal Fans empfehle, um sie quasi durch die Hintertür in das Genre reinzuziehen. Denn unter dem relativ klassischen Aufbau der Songs und den super Melodien, liefert vor allem die Rhythmus-Sektion grandiose Leistungen ab. Kein Wunder, wurde die Band doch von Drummer Martin Lopez gegründet und hatte für kurze Zeit mit Steve DiGiorgio einen der besten Metal-Bassisten in den eigenen Reihen. Da sind komplexe Rhythmen quasi vorprogrammiert. Und dann ist da ja noch die Stimme von Joel Ekelöf. Was soll ich sagen, solange es um Klargesang geht, ist er aktuell mein Lieblingssänger. So machen Soen auch auf Imperial was sie am besten können, vielseitige Musik zum Dahinschmelzen schreiben, die man auch ruhig mal seinen Eltern vorspielen kann, ohne sie direkt zu verschrecken.
#11 Cynic – Ascension Codes (VÖ: 26.11.)
Weil ich in meinem November Newsletter ja gerade erst sehr ausführlich über Cynic und die tragische Entstehungsgeschichte von Ascencion Codes geschrieben habe, fasse ich mich hier kurz. Das Album ist traumhaft schön und nimmt die Hörenden mit auf eine spirituelle Reise, die sich anfühlt, als würden wir den Planeten verlassen und die Weiten eines unbekannten Multiversums erkunden. Vor allem Drummer Matt Lynch schafft es auf erstaunliche Weise die Lücke zu schließen, die Sean Reinert hinterlassen hat. Genau wie Reinert begnügt er sich nicht damit, bekannte Metal-Muster zu wiederholen und so erinnert sein Spiel an vielen Stellen eher an einen Jazz-Drummer. Die US-Amerikaner um Paul Masvidal haben einfach ihren ganz eigenen Sound und Zugang zum Metal geschaffen, mit dem sie längst einen festen Platz in den Geschichtsbüchern innehaben. Geht es um die bloße emotionale Sogkraft, gibt es für mich 2021 wahrscheinlich kein Album, dass es mit Ascencion Codes aufnehmen kann. Bei allem was Masvidal die letzten zwei Jahre durchmachen musste, bin ich unglaublich dankbar, dass dieses Album existiert.